Man stelle sich vor: Zwei Menschen schlafen miteinander. Ob die beiden einander lieben, ob sie sich lediglich miteinander vergnügen, danach sei nicht gefragt – danach fragt das vernünftige Gesetz nicht, da es den Staat nichts angeht; was moralisch davon zu halten sein mag, ist hier nicht mein Thema, der Staat jedenfalls hat sich nur mit dem Recht zu befassen, nicht mit der Moral. Beide sind volljährig. Beide sind, wenn schon nicht bei vollem Bewusstsein – dies kann kein Kriterium sein, man wollte denn allen Unaufgeklärten den Beischlaf verbieten und damit das Menschengeschlecht binnen eines Menschenlebens ausrotten –, so doch jedenfalls einverstanden mit dem, was geschieht. Und doch droht beiden Strafe, droht ihnen das Gefängnis für diesen einvernehmlichen Akt, bei dem niemand zu Schaden kommt.

Ein Staat, in dem solches möglich ist, ist, darin kann mir vernünftigerweise niemand widersprechen, eine Despotie zu nennen. Man mag hier an Staaten wie den Iran oder Saudi Arabien denken, in denen Homosexualität unter Strafe steht und die man hierzulande tatsächlich als despotisch anschaut. Aber wir sollten vielleicht nicht so vorschnell andere Staaten oder andere Völker verurteilen und uns in der eigenen moralischen Überlegenheit suhlen und für aufgeklärter halten, weil wir doch Homosexualität nicht mehr verbieten. Ja, wir verbieten Homosexualität nicht. Aber wir verbieten den Inzest. Auch bei uns kann Sex zwischen ausgewachsenen Partnern, die ihn beide wollen, ein Straftatbestand sein (ich sage nicht: ein Verbrechen, denn ein Verbrechen ist dies schlechterdings nicht, ein Verbrechen ist einzig, dass der Inzest unter Strafe steht). Wo ist hier unsere Aufklärung, auf die wir uns so vieles einbilden?¹ Dies wäre also die erste Lüge, die ich bei dieser Gelegenheit an den Tag bringen kann: Wir, die Aufgeklärten und Zivilisierten, bei denen Menschenrecht und Rechtsstaatlichkeit herrschen, die liberal, humanistisch und tolerant sind, die Anderen, die abergläubischen Barbaren mit ihren Vorurteilen, ihrem Despotismus und ihrer die Freiheit des Einzelnen unterdrückenden Gesellschaft – das ist eine Lüge. „RJchtet nicht / Auff das jr nicht gerichtet werdet. 2 Denn mit welcherley Gerichte jr richtet / werdet jr gerichtet werden / Vnd mit welcherley Mas jr messet / wird euch gemessen werden. 3 Was sihestu aber den Splitter in deines Bruders auge / vnd wirst nicht gewar des Balcken in deinem auge? 4 Oder wie tharstu sagen zu deinem Bruder / Halt / Jch wil dir den Splitter aus deinem auge ziehen / vnd sihe / ein Balcke ist in deinem auge. 5 Du Heuchler / zeuch am ersten den Balcken aus deinem auge / Darnach besihe / wie du den Splitter aus deines Bruders auge ziehest.“² – Das ist wahr auch in jenem Falle, da man, zurecht oder zu unrecht, meint, der andere habe den Balken und man selbst höchstens einen Splitter im Auge.

Aber ich will angesichts des Inzest noch von zwei anderen Lügen sprechen.

Wer sollte am ehesten für dessen Entkriminalisierung und gesellschaftliche Akzeptanz streiten? Doch wohl die Feministen und Politisch Korrekten. Angeblich machen diese sich doch für uneingeschränkte sexuelle Selbstbestimmung stark. Für alle möglichen und unmöglichen Gruppen treten sie ein: ob homo-, bi-, pan-, a-, demi- oder was-auch-immer-sexuell, jeder soll seine Sexualität ausleben dürfen, wie sie eben ist, solange es nur einvernehmlich geschieht, so das angebliche Credo der Feministen. Sie haben die Gattung der LGBT³-Menschen erfunden⁴, gerne wird diese Gruppe noch beliebig erweitert, dann heißt es etwa LGBTQIA⁵. Auch jegliches kink shaming⁶ verbitten sich die Feministen. Und jede Art von Beziehung wird gewöhnlich von ihnen gutgeheißen, solange sie nur ohne Zwang und Nötigung auskommt, ob nun die Partner verschiedenen Geschlechtern oder demselben angehören mögen, ob sie nun gleichalt sind oder Jahrzehnte zwischen ihnen liegen, ob sie nun einzig miteinander Sex haben oder, mit Billigung des jeweils anderen, noch mit weiteren Menschen, ob es sich um zwei Partner handelt oder ob mehr als zwei Personen an dieser Beziehung beteiligt sind. Nach der feministischen Ideologie der vollendeten Ausklärung gibt es kein Richtig und Falsch, kein Gut und Schlecht, alles ist gleichwertig und unbedenklich, solange es nur Andere nicht einschränkt oder schädigt. Und man darf den Menschen nicht nur nicht in ihre Sexualität hineinreden und ihnen keine Vorschriften machen, man darf nicht einmal persönlich eine schlechte Meinung von irgendeinem Akte oder einer Praktik haben: Schon der, der spräche, „Homosexualität sollte gänzlich legal sein, das ist jedermanns eigene Sache, aber ich für meine Person finde den Anblick sich küssender Männer eklig“, oder, „wenn irgendeine junge Frau darauf steht, einen zwanzig Jahre älteren Mann Daddy⁷ zu nennen und sich von ihm den Hintern versohlen zu lassen, dann würde ich ihr das nicht verbieten, denn es geht mich ja nichts an, aber für normal halte ich das nicht und ich finde schon, dass diese Frau sich vielleicht lieber professionelle Hilfe suchen sollte“ – schon der so Sprechende, sage ich, würde den Zorn der Feministen auf sich ziehen und als ein böser Homophober und Kink-Shamer verfolgt werden. Wie berechtigt oder unberechtigt dies wäre, das lasse ich hier ununtersucht, mein Gegenstand in dieser Rubrik sind nur die Lügen. Ich habe die Ideologie des heutigen Feminismus so weit geschildert, nicht um ihr beizupflichten oder sie zu verwerfen, sondern um die Verlogenheit ihrer Anhänger aufzuzeigen (oder wenigstens eine ihrer vielen Verlogenheiten, denn es gibt derer noch andere, die aber nichts mit dem Inzest zu tun haben und die ich vielleicht eines anderen Tages zur Sprache bringen werde) – denn wo sind die Feministen, die mit derselben Inbrunst oder selbst auch nur mit der halben für die Rechte und die Anerkennung all derer kämpfen, die Inzest treiben? Ein jeder wird zugeben müssen, dass, die feministische Ideologie sei nun richtig oder falsch, dieser Kampf eigentlich aus ihr folgen müsste. Was andere darüber denken, ob sie es für Sünde, unmoralisch oder eklig oder sonst etwas halten: wenn zwei Geschwister sich nun einmal lieben oder auch nur sexuell anziehend finden, dann sollte das ihre Sache und Niemandes Sache sonst sein – so müssten Feministen sprechen, wie sie es ja auch tun würden, wenn statt von zwei Geschwistern etwa von zwei Männern die Rede wäre. Aber beim Inzest verhält sich die Sache anders. Ja ich sehe voraus, dass mancher gar empört sein wird über meinen Vergleich zwischen inzestuösen und homosexuellen Menschen, dass er ihn für eine Beleidigung der letzteren halten wird. Wie lustig, mich dünkt gerade diese Empörung eine Beleidigung der ersteren, denn beleidigend ist der Vergleich doch nur unter der Prämisse, dass Homosexualität legitim und deren Unterdrückung ein schweres Verbrechen, dass hingegen Inzest zurecht verboten und tabuisiert ist und nicht sein darf; eine Prämisse, die nur auf Vorurteilen basieren kann – Vorurteile, wie sie auch gegen Homosexuelle lange gehegt wurden und von vielen noch heute gehegt werden, die doch aber Feministen gerade bekämpfen sollten.⁸ Der Feminismus (ich spreche von seiner heute vorherrschenden Form) gibt sich sehr stolz darauf, mittlerweile „intersectional“⁹ zu sein, sich „celebrate diversity“¹⁰ auf die Fahne geschrieben zu haben und für alle unterdrückten Gruppen gleichermaßen zu kämpfen, nicht nur für die Frauen, sondern auch für Homosexuelle, für Transsexuelle, für Menschen verschiedener Herkünfte und Hautfarben… Es ist eine Lüge, wie mindestens der Umgang der Feministen mit dem Inzest zeigt (auch der Umgang mit anderen, weit signifikanteren Gruppen: etwa schert sich der Feminismus einen Dreck um die größte benachteiligte und verachtete Gruppe unserer Gesellschaft, die Kinder, und wird keine Stimme laut, wenn von „Rotznasen“ oder „Gören“ die Rede ist, während man doch so peinlich darauf bedacht ist, dass niemand böse Wörter wie „Neger“ oder „Zigeuner“ gebraucht; aber nicht all die Lügen der Feministen sind hier mein Gegenstand – dann müsste dieser Beitrag deutlich umfangreicher werden –, sondern nur die Lügen, die am Umgang mit dem Inzest offenbar werden). Einem nur etwas Aufgeklärten muss es komisch vorkommen, wie ausgebildet der Sinn mancher Person auf gewissen Blogs und in gewissen Internetcommunitys ist, wenn es darum geht, zu bemerken, wie irgendjemand ungewollt etwas nach den Kriterien des Feminismus Unerlaubtes gesagt hat oder irgendeine Serie sich einen Fauxpas in der Darstellung einer Figur geleistet hat, – und wie dieselben Personen dann auf denselben Blogs und in denselben Communitys mit einer Gedankenlosigkeit und Selbstverständlichkeit darüber reden können, wie „eklig“ oder wie falsch Inzest doch sei¹¹. So sensibel sie gegenüber „microaggressions“¹² gegen bestimmte Gruppen sind, so blind betreiben sie selbst offenbar gegen andere macroaggressions. Dies muss einem auch die Toleranz der Feministen gegenüber der Homosexualität und Anderem verdächtig machen. Es zeigt, dass sie nicht aus echter Achtung für den Menschen und für seine Freiheit, man mag davon, wie er sie letztlich nutzt, halten, was man will, geboren ist, auch dass sie ebenso wenig das Ergebnis eigener kritischer Prüfung ist – vielmehr toleriert man Homosexuelle, weil man das eben so macht heutzutage und weil dies Teil der feministischen Ideologie ist. Aber dieselben Menschen, die schon aufschreien, wenn nur eine Formulierung über Schwule ihnen nicht ganz in ihre Benimmregeln passt, während sie selbst bedenkenlos über Inzestuöse herziehen, die hätten vor einigen Jahrzehnten mit derselben Bedenkenlosigkeit über Schwule hergezogen und diese abgelehnt. (Um Aufklärung und Sittlichkeit eines Menschen zu prüfen, empfiehlt es sich stets, die Bereiche anzuschauen, in denen nicht die Mehrheit eine materiell sittliche Meinung bereits gebietet. So wagt es außer einigen offenen Nazis heute in Deutschland kaum noch jemand, judenfeindlich zu sein. Das macht man nicht mehr. Aber gerade weil man das nicht macht, sollte, wer wissen will, ob ein Mensch wahrhaft frei von Rassismus ist und auch in den Tagen von Weimar kein Feind der Juden gewesen wäre, fragen, nicht wie dieser Mensch zu Juden, sondern wie er zu Mohammedanern steht. Gleicherweise wird sich heute abseits von etwas rechtem oder kultistischem Gesocks niemand gegen Homosexuelle aussprechen, aber man frage eben nur, wie die ach so toleranten und aufgeschlossenen Menschen, die sich vielleicht über Anderer Schwulenfeindlichkeit mokieren, zum Inzest stehen, dann wird man vielleicht eher wissen, wie große Schwulenfreunde sie vor einigen Jahrzehnten gewesen sein würden.) Aber nicht nur die Gesinnung der Feministen muss einem hierdurch verdächtig werden, also das Formale ihres Tuns, auch material ist dasselbe offensichtlich nicht immer sittlich. Wenn diese Menschen nicht die Herzen haben, das Böse selbst zu erkennen und von selbst zu bekämpfen, ohne dass ihre Gesinnungsgenossen aus dem Genderseminar ihnen vorsagen, was böse und zu bekämpfen ist, dann gibt das Grund zur Annahme, dass sie auch das Gute nicht selbst erkennen und sich hierüber ebenso oft täuschen mögen wie über das Böse. Anders gesagt: Ein Mensch, der nicht in der Lage ist, zu erkennen, welches Unrecht das Verbot des Inzests ist, dem sollte man auch kein Gehör schenken, wenn er einem beispielsweise weismachen will, nicht zu gendern sei Unrecht, denn er hat ja schon gezeigt, dass er in moralischen Dingen nicht mitreden, d. i. nicht selbst denken kann.

Mancher Leser wird längst, falls er überhaupt so weit gelesen hat, unwillig sein und vielleicht brennt es ihm auf der Zunge und er möchte mir zurufen: Aber es stimmt doch gar nicht, dass der Inzest niemandem schadet, und deshalb sind unsere Gesellschaft und sind auch der Feminismus hier nicht verlogen, deshalb ist Inzest etwas ganz anderes als beispielsweise Sex zwischen zwei Männern! In der Tat, mehrmals las ich im Internet, es gebe ja „durchaus viele gute Gründe“, die gegen den Inzest sprächen. Gewöhnlich wird das so dahergesagt, als ob diese Gründe allgemein bekannt wären. Vielleicht sind sie das ja, dann gestehe ich, nicht zu dieser Allgemeinheit zu gehören und wohl hinterm Mond zu leben, denn mir wollen keine guten Gründe gegen den Inzest einfallen. In Ermangelung solcher werde ich mich darauf beschränken, hier auf die schlechten Gründe einzugehen. Selbst von diesen sind mir jedoch nur drei je untergekommen. Alle drei sind gleichermaßen inkonsequent und oberflächlich und offenbaren damit die Lüge.

1. Mancher äußert, gut und schön, Inzest zwischen Geschwistern könnte man ja vielleicht legalisieren (der zwischen Cousins und Cousinen ist bereits legal), aber auf keinen Fall den zwischen Eltern und Kindern, denn das hieße ja, den Eltern erlauben, sich an ihren Kindern zu vergreifen. Aber warum sollte es das denn heißen? Sex mit Kindern ist eine ganz andere Angelegenheit und wäre noch immer illegal, auch wenn der Sex zwischen Verwandten es nicht mehr wäre. Was im Falle von Eltern zumeist noch hinzukäme und was ebenfalls illegal ist und es bleiben würde, ist der Sex mit Schutzbefohlenen und deren Ausnutzung. Und wäre es anders, hinge die Frage, ob Eltern sich an ihren Kindern ungestraft vergreifen können oder nicht, nur am Inzestverbot, dann wäre es ja Lehrern oder nicht leiblichen Stiefeltern bereits jetzt gestattet, die ihnen anvertrauten Kinder zu vergewaltigen, was doch aber nicht der Fall ist. Wer die Kinder schützen wollte und nur dieses im Sinne hätte, der würde über Inzest gar nicht reden, denn es sind nicht nur Blutsverwandte, die die Aufsicht über ein Kind innehaben und ihre Stellung missbrauchen können. Umgekehrt aber, wenn das Kind bereits volljährig, wenn es vielleicht längst ausgezogen und nicht mehr von seinen Eltern abhängig ist – was sollte dann gegen eine inzestuöse Beziehung, auch zwischen Eltern und Kind sprechen? Vielleicht manches, mag man meinen, aber jedenfalls gewiss nichts juristisch Relevantes.

2. Öfter schon habe ich gehört, Inzest zu erlauben, das könnte manche Familie zerrütten! Man denke doch nur, wenn der Bruder und die Schwester eine Beziehung miteinander führen, wenn diese auseinanderbricht, wie das bei Beziehungen unter Jugendlichen doch schnell geschehen kann, sie aber noch immer unter einem Dach miteinander leben müssen! Schon eine Beziehung unter WG-Genossen könne aus solchen Gründen problematisch sein, so eine Analogie, die ich irgendwo las. Nun, das mag stimmen. Aber eine Beziehung zwischen Mitbewohnern in einer WG ist dennoch nicht illegal: weil es nicht Sache des Staates ist, derart in die Lebensführung und das Geschlechtsleben seiner Bürger einzugreifen, und weil solche Risiken der Verantwortung der Beteiligten überlassen bleiben sollten. Dieses Argument des angeblichen Familienschutzes trieft doch geradezu vor Verlogenheit, wer könnte nicht sehen, dass es nachträglich an den Haaren herbeigezogen wurde, um etwas zu rechtfertigen, was der, der es vorbringt, aus ganz anderen Gründen will? („Der Schutz der Familie“, dieses schwammigste aller Grundrechte, war ja auch immer wieder, was gegen die Eheschließung Homosexueller ins Feld geführt wurde. Da hieß es dann auch, ein Kind könnte irgendwelchen Schaden nehmen, wenn es mit zwei Vätern oder mit zwei Müttern aufwüchse, als nähmen nicht genug Kinder Schaden, die mit Vater und Mutter aufwachsen.) Mag sein, dass, wenn der pubertierende Bruder und die pubertierende Schwester sich verlieben und anfangen, miteinander zu gehen, dies künftig zu der einen oder anderen unangenehmen Situationen in der Familie führen könnte. Ob die Lage besser wäre, wenn sie sich verliebten – denn das geschieht, falls es geschieht, so oder so und wird durch kein Gesetz verhindert –, ihre Wünsche aber nicht oder nur versteckt ausleben können, das bleibe dahingestellt. Aber es sei. Nur erstens greift das Gesetz lange nicht weit genug, um tatsächlich ein ruhiges Familienleben zu garantieren: Es trifft ja wiederum nur Blutsverwandte; Stiefgeschwistern oder Stiefeltern und Stiefkindern, wenn man die Minderjährigkeit und das Schutzverhältnis nicht mitbedenkt, sind Sex und Zusammensein nicht verboten, hier könnten sich also dieselben Schwierigkeiten für die Familie ergeben. Selbst Blutsverwandten ist es ja nicht untersagt, ein Liebesverhältnis miteinander zu führen, verboten ist nur der vaginale Sex, womit diverse andere sexuelle Praktiken wie auch jeder gleichgeschlechtliche Sex unter Verwandten möglich bleiben. Und zweitens gibt es außer sexuellen und Liebesbeziehungen unter Zusammenlebenden doch noch sehr viel Anderes, das deren Zusammenleben beeinträchtigen kann: Was wenn der Vater seine Frau betrügt? Was wenn die Mutter sich einen neuen Mann sucht und diesen daheim einziehen lässt, während auch der alte noch dort wohnt – ich kenne solch einen Fall –? Derlei ist ganz legal und dürfte wohl öfter vorkommen als Inzest.¹³ Und es sind ja nicht nur sexuelle Techtelmechtel, miteinander oder mit Dritten, die das Leben unter einem Dach schwer erträglich machen oder Kindern schaden können, es gibt da weiß Gott genug Anderes, das ebenfalls ganz legal ist, worunter ich nur die ganze Missachtung und seelische Misshandlung nenne, die fast jedem Kinde heute in Deutschland zuteilwird und die man Erziehung zu nennen pflegt und die mehr Schaden anrichten dürfte, als wenn zwei, drei Kinder in Deutschland irgendwann in der Pubertät einmal etwas mit ihren Geschwistern anfingen.

3. Die beiden vorgenannten Argumente scheinen mir seltener. Die bei weitem häufigste und die für Viele wohl auch gewichtigste Begründung für das Verbot von Inzest ist die, dass solcher zu behindertem Nachwuchs führen könnte. Nun ist diese Begründung – das rumklügelnde Wahrscheinlichkeitskalkül, die negative Ausrichtung auf die Verhinderung von Schlechtem, nicht zuletzt die Eugenik und die ganze Verachtung gegenüber Behinderten, die daraus spricht – so offenbar und krass faschistoid, dass sie gar nicht verdiente, besprochen zu werden. Ich will auch wirklich dies Argument selbst gar nicht widerlegen. Ich will nur die Lüge darin aufzeigen: Wenn es nur um die Verhinderung behinderter Kinder ginge und um nichts sonst, warum ist dann der vaginale Verkehr unter nahen Verwandten verboten, warum nicht ausdrücklich das Zeugen von Kindern? Denn beim Sex kann man auch verhüten¹⁴. Zudem gibt es Menschen, die gar nicht zeugungsfähig sind: Frauen nach der Menopause beispielsweise oder Sterilisierte; aber auch diesen ist der vaginale Sex mit nahen Verwandten verboten, was dieses dritte Argument als Lüge entlarvt. Als Lüge entlarvt wird es auch, ja noch viel deutlicher dadurch, dass andererseits kein Gesetz die Zeugung möglicherweise behinderter Kinder verhindert, wenn deren Eltern nicht miteinander verwandt sind: Aber auch zwei Menschen, die nicht gerade Geschwister oder Eltern und Kinder sind, haben ein nicht unerhebliches Risiko, ein behindertes Kind zu zeugen, wenn beide entsprechende rezessive Gene in sich tragen, wenn vielleicht beide aus Familien stammen, in denen schon öfter erbliche Krankheiten aufgetreten sind. Haben zwei Menschen bereits einmal ein behindertes Kind miteinander gezeugt, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch¹⁵, dass ein weiteres Kind desselben Paares ebenfalls behindert zur Welt kommt, und doch fordert niemand, einem solchen Paare den weiteren Beischlaf zu verbieten. Auch andere Faktoren können die Geburt eines behinderten Kindes wahrscheinlicher machen, etwa ein höheres Alter der Eltern – aber ich habe noch niemanden die Forderung aufstellen gehört, Menschen jenseits der vierzig den Vaginalsex zu verbieten, weil sie ja ein mongoloides Kind bekommen könnten. Umgekehrt wird übrigens das Risiko, dass Verwandte behinderten Nachwuchs zur Welt bringen, oft übertrieben. Ein solches Risiko besteht zweifelsohne, aber hört man die Leute über Inzest und darüber, dass der der behinderten Kinder wegen selbstverständlich verboten gehöre, reden, man sollte meinen, jedes Kind eines Geschwisterpaares käme mit drei Köpfen zur Welt. In Wahrheit entsteht eine Behinderung bei Inzucht nicht aus dem Nichts, es ist lediglich die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich rezessive Gene durchsetzen und damit auch rezessiv vererbte Krankheiten, wenn beide Elternteile dieses rezessive Gen in sich tragen – und diese Wahrscheinlichkeit wiederum ist bei Verwandten höher als bei Nichtverwandten, aber, wie sich versteht, auch nur dann, wenn entsprechende rezessive Gene auch in dieser Familie vorkommen. In einer Familie, die von allen krankmachenden Genen frei wäre, würde hingegen der Inzest sogar schützen, es wäre bei der Exogamie, dass die Gefahr bestünde, krankheitsauslösende Gene in die Blutlinie hineinzuholen. Nun mag eine solche Familie nicht existieren; aber dass das Risiko einer Behinderung größer ist, wenn die Eltern verwandt sind, stimmt höchstens in dieser allgemeinen Abstraktion, betrachtet man den konkreten Fall, wird es bei manch nicht verwandtem Paar geringer ausfallen als bei manch verwandtem. Und schließlich braucht man sich auch nicht zu sehr von den Geschichten europäischer Adelshäuser wie der Habsburger irre machen zu lassen: Die trieben Inzest über viele Generationen hinweg, womit freilich die Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Merkmale, auch bestimmte Defekte, sich durchsetzen, immer weiter ansteigt. Würde der Inzest heute legalisiert, dann würde er vielleicht dann und wann in einer Generation vorkommen, aber, da er ja nur erlaubt, nicht vorgeschrieben wäre und dynastische Interessen heute keine Rolle mehr spielen, wäre es unwahrscheinlich, dass es in ein und derselben Familie über viele Generationen immer wieder hierzu kommen würde.

Alle drei Begründungen, die häufiger für das Inzestverbot vorgebracht werden, sind derart undurchdacht, dass sie unmöglich ernst gemeint sein können. Wer Kinder schützen wollte, dem müssten die Verbote von Sex mit Kindern und mit Schutzbefohlenen genügen, gäbe es diese beiden nicht, so blieben viele Kinder bei einem bloßen Inzestverbot ungeschützt. Wenn es die Familie und die dortigen Verhältnisse sein sollen, die man schützen will, was unbestimmt genug ist, dann ist wiederum ein Inzestverbot zu wenig, dann müsste man auch Stiefverwandten den sexuellen Verkehr verbieten und man müsste vieles mehr untersagen, das den häuslichen Verhältnissen vielleicht schädlicher wäre als ein wenig Inzest. Wer schließlich Faschist und somit Befürworter von Eugenik ist, der hätte Verwandten nicht den Sex, sondern nur das Kinderkriegen zu verbieten, dieses aber müsste er auch älteren Frauen oder nicht verwandten Paaren mit einem erhöhten Risiko, ein behindertes Kind zu zeugen, untersagen. Es ist eindeutig, dass hier, wie so oft, die Meinung zuerst, die Begründung hintendrein kommt und so schlecht sein darf, als sie nur will, solange sie nur überhaupt halbwegs nach einer Begründung aussieht. Die Meinung, nämlich dass Inzest ganz schrecklich, unmoralisch und ekelhaft sei, haben die Menschen (über den Ursprung des Inzesttabus rede ich hier nicht und brauche ich nach den Arbeiten Lévi-Strauss‘ auch nicht mehr zu reden) heute nur aus einem Grunde: Weil alle sie haben und weil sie zu eigenen Urteilen nicht fähig und keine sittlichen Menschen sind. Alle Gründe, die sie sich nachträglich zur Rechtfertigung ihres Vorurteils ausdenken mögen, sind erlogen.

Drei Lügen hätte ich hiermit also beschrieben: Ich habe am Inzest gezeigt (es ließe sich noch an vielem Anderem zeigen), dass diese Gesellschaft und dass die politische Korrektheit lügen, wenn sie sich ihrer Aufklärung, ihrer Vorurteilslosigkeit und ihrer Menschenfreundlichkeit rühmen. Und ich habe gezeigt, dass die andauernde Tabuisierung des Inzests hierzulande auf bloßen Vorurteilen beruht, die kein Stück besser sind als die Vorurteile anderer Gesellschaften als der westlichen oder die Vorurteile der politisch Unkorrekten, und dass folglich alle vermeintlichen Rechtfertigungen derselben Lügen sind. Sehr leicht durchschaubare Lügen sogar, wie ich anfügen möchte, was alle, die den Inzest ablehnen, umso verächtlicher macht, weil sie ja diese Lügen sofort als unhaltbar erkennen müssten, wenn sie bessere Menschen wären.

Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, dass zwar Inzest ein Tabu ist, dass auch über diesen Gegenstand in unserer ach so offenen Gesellschaft nicht einmal diskutiert wird und es auch unter den Kämpfern für den sozialen Anstand keine Lobby für die Inzestuösen gibt, die wohl auch das Pech haben, viel zu wenige zu sein, – dass es aber mitnichten so ist, als wäre Inzest in keiner Form im Leben der Menschen präsent. Er darf sehr wohl dazu herhalten, sich zu unterhalten. In diversen Geschichten – ich erwähnte bereits A Song of Ice and Fire bzw. Game of Thrones – lässt man sich den Tabubruch gern gefallen, das ist ja so schön prickelnd. Und auf diversen Pornoseiten erfreut sich die Kategorie ohnehin ungebrochener Beliebtheit, sicherlich auch gerade weil es sich um etwas Schmutziges und Verbotenes handelt. Dass derlei das sonstige Totschweigen und Verurteilen des Inzests noch einmal verlogener macht, liegt auf der Hand.

Inzest ist übrigens an sehr viel mehr Orten auf der Erde legal, als viele meinen dürften. Unter anderem in Frankreich, den Beneluxländern, Italien – sofern er keinen öffentlichen Skandal verursacht; ein sehr katholisches Gesetz –, Portugal, Spanien, Argentinien, Brasilien (also, das fällt auf, eher in der katholischen Welt, während die protestantischen Nationen stärker von der Ideologie puritanischer Sittenwächter beherrscht scheinen, was niemanden überraschen sollte), Russland und den meisten anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion, China, Indien, Israel, Japan, der Elfenbeinküste, Serbien und der Türkei. Und noch ist keines dieser Länder an den wilden innerfamiliären Orgien zugrundegegangen, die mancher zu fürchten scheint. Freilich, auch in diesen und anderen Staaten steht der Sex zwischen Verwandten oftmals bloß nicht unter Strafe. Das bedeutet noch nicht, dass sie auch heiraten dürfen wie alle übrigen Menschen. Noch bedeutet es, dass der Inzest in den genannten Nationen keine Ablehnung und gesellschaftliche Ächtung erfährt. Aber wenigstens sind sie weiter als wir; und im Falle manches Staates in dieser Liste sollte uns dies peinlich sein und von mancher Selbstgerechtigkeit heilen.

1 Die Aufklärung, die schließlich gegen überkommenen Aberglauben und alte Vorurteile stritt, war hier schon einmal weiter und diskutierte diesen Gegenstand freimütiger als wir, die wir über ihn vornehmlich schweigen.
Die Französische Revolution und der Code Napoléon beseitigten neben Blasphemie, Hexerei und Homosexualität auch den Inzest als Straftatbestand, denn es sollten künftig nur noch wirkliche Verbrechen gestraft werden.
Und die Rechtslehre spricht eindeutig: „Es lässt sich nicht begreifen, woher der Staat, und hier insbesondere die Geistlichkeit, die in diesem Stücke sich selbst als Gesetzgeber beträgt, das Recht haben solle, die Ehe für gewisse Grade der Verwandtschaft zu verbieten. Liegt ein Abscheu gegen dergleichen Vermischung in der Natur, so bedarf es ihres Gesetzes nicht; giebt es aber keinen solchen natürlichen Abscheu, so können sie auf ihn ihr Gesetz nicht bauen. Es lässt sich einsehen, wie eine Nation glauben könne, ihre Gottheit werde unter anderen auch durch dergleichen Ehen entrüstet; und wenn dies ist, so hat der Staat das Recht nicht, solche Ehen zu gebieten (wie er ja überhaupt das Recht nicht hat, eine Ehe zwischen zwei bestimmten Personen zu befehlen), indem er die Bürger nicht gegen ihr, obwohl irrendes, Gewissen verbinden darf. Aber er hat ebensowenig das Recht, sie zu verbieten; wer an jene Entrüstung der Gottheit glaubt, der wird sie ohnedies unterlassen; wer nicht daran glaubt, oder es auf die Gefahr hin wagen will, der wird, wenn der Glaube der Nation wahr ist, schon von der Gottheit bestraft werden. Ueberlasse man es doch den Göttern, die ihnen selbst zugefügten Beleidigungen auch selbst zu rächen. Es bleibt den Priestern nichts übrig, als die Nation treulich zu warnen und zu vermahnen, und als blosse Gesetzerklärer denen, die ihnen glauben wollen, die verbotenen Grade und die göttlichen Strafen, die darauf stehen, anzuzeigen.
Es lässt sich kein Grund denken, diejenigen, die es entweder nicht glauben, oder die es auf ihre eigene Gefahr wagen wollen, durch den Glauben anderer zu verbinden, als der: dass die Strafe ihrer Versündigung zugleich die übrigen Unschuldigen mit treffen werde. Dies ist aber eine böse und verderbliche Superstition, von welcher der Staat in seiner Gesetzgebung nicht Notiz nehmen, noch dadurch die natürlichen Rechte anderer einschränken kann.“ (Johann Gottlieb Fichte: Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre. Erster Anhang des Naturrechts. Zweiter Abschnitt. §. 14.)

2 Matthäus 7,1-5.

3 Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender (Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transsexuell)

4 Erfunden, denn diese verschiedenen Menschen bilden nichts weniger als eine geschlossene Gruppe. Aber die politisch Korrekten, um ihr Schwarz-Weiß-Denken leben zu können und nicht differenzieren zu müssen, fassen stets die homogensten und teils auch untereinander feindlichen Elemente in gemeinsamen Gruppen wie den LGBT-Menschen oder den People of Color (farbigen Menschen) zusammen, sodass auf der anderen Seite die, in der Realität freilich ebenso wenig existierende und ebenso wenig homogene, Gruppe der heterosexuellen weißen Cis-Männer übrigbleibt. 

5 Das I steht hier für Intersexuell, nicht etwa für Inzest. Q und A bezeichnen Queer und Asexuell. 

6 Das Verurteilen oder Abwerten einer Person aufgrund ihrer sexuellen Vorlieben oder Fetische. 

7 Papi

8 Jemand könnte einwenden, dass es sehr wohl einen Unterschied gebe: Durch ein Verbot von Homosexualität werde der Homosexuelle überhaupt an der Auslebung seiner Sexualität verhindert. Durch ein Verbot von Inzest hingegen würden dem Menschen einige wenige ganz bestimmte Partner verwehrt, er könnte sich aber jederzeit andere suchen. Tatsächlich habe ich dieses schwachsinnige Argument schon lesen müssen. „Muss denn jemand unbedingt Sex mit seiner Schwester haben? Kann er sich nicht einfach eine andere Frau suchen?“, hieß es da. Wenn er aber nun einmal seine Schwester liebt und keine unter den Milliarden anderen, die ihm nach einer blödsinnigen Abstraktion zur Verfügung stehen sollen? Aber was rede ich von Liebe? Gerade die Feministen sollten doch nicht auf dieser bestehen, sondern jedem selbst überlassen, mit wem er Sex hat, anstatt an diesen Sex Bedingungen zu stellen wie etwa, er müsse mit einem geliebten Partner oder er müsse nur in der Ehe stattfinden. Genügt es nicht, wenn Einer nun einmal Sex mit seiner Schwester haben will und nicht mit irgendeiner anderen? Und sie, versteht sich, auch mit ihm? Die Feministen würden es in anderen Fällen auch nicht akzeptieren, wenn den Menschen bestimmte Partner einzig ihrer Geburt wegen verwehrt würden. Was würden sie etwa dazu sagen, wenn zwar Homo- und Heterosexualität beide ausgelebt werden dürften, der Sex oder die Ehe zwischen Weißen und Schwarzen oder zwischen Deutschen und Juden aber verboten wäre, wie er es ja einstmals war? Würden sie etwa in diesem Falle einem Paar sagen: „Müsst ihr denn unbedingt Sex mit einem Menschen anderer Rasse haben? Könnt ihr euch nicht einfach wen mit derselben Hautfarbe suchen?“? Etwas lässt mich doch zweifeln, dass irgendein politisch Korrekter so sprechen und nicht vielmehr gegen ein solches Gesetz auf die Barrikaden gehen würde. 

9 Intersektional, am Schnittpunkt verschiedener Formen von Unterdrückung. 

10 „feiere Vielfalt“

11 Ich fand einmal eine Apologie auf Cersei Lannister auf Tumblr, eine Figur aus A Song of Ice and Fire bzw. Game of Thrones, die drei Kinder mit ihrem Bruder hat und die sich vieler Verbrechen schuldig macht. Darin hieß es sinngemäß, ja ja, gewiss hätte sie auch einige unmoralische Dinge getan wie den Inzest natürlich, aber im Grunde sei sie doch gar nicht so böse, wie alle meinten. Nun, ich hielt den Inzest für eine ihrer wenigen nicht unmoralischen Taten. Aber mir blieb doch die wegwerfende Formulierung im Gedächtnis, als verstünde es sich von selbst, dass Cersei hier einmal zu weit gegangen war. Die Apologetin war Feministin, was ihre ganze Apologie entsprechend anstrengend machte, da nicht ehrliche Wahrheitssuche, sondern eben die feministische Agenda ihren Grund bildete. 

12 „Mikroaggressionen“ – ein Terminus der Feministen, um Belanglosigkeiten zu bezeichnen, die sie in ihren Befindlichkeiten stören. 

13 Es sei bei dieser Gelegenheit erwähnt, dass auch dies gegen alle drei von mir hier besprochenen Argumente vorgebracht werden könnte: Inzest, auch wenn er legal, ja selbst wenn er gesellschaftlich akzeptiert wäre und nicht von Strafen oder auch nur Ablehnung begleitet wäre, würde doch auch weiterhin die Ausnahme bleiben und nicht die Regel werden. Hört man manche gegen eine Legalisierung des Inzests argumentieren, könnte man meinen, eine Mehrzahl der Menschen wartete nur darauf, ihre Eltern, Kinder und Geschwister zu bespringen, und würde nur durch das staatliche Verbot gerade so im Zaum gehalten – eine Unterstellung, die vielleicht mehr über die aussagt, die sie machen, als über die Menschen im Ganzen. 

14 Hoffentlich wird niemand einzuwenden versuchen, dass beim Verhüten immer etwas schiefgehen könnte. Freilich könnte es das, aber es gibt doch Verhütungsmethoden, die, richtig angewandt, sehr sicher sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind gezeugt würde, wäre verschwindend gering, umso geringer wäre die Wahrscheinlichkeit, dass dieses dann auch noch behindert wäre. Eine solche minimale Wahrscheinlichkeit könnte unmöglich einen derartigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht zweier Menschen rechtfertigen. Andernfalls müsste man auch das Autofahren verbieten, denn die Wahrscheinlichkeit, dass es hier zum Unfall und jemand zu Tode kommt, ist um einiges höher.

15 Sie liegt beispielsweise bei 25% im Falle von Erbkrankheiten wie Mukoviszidose oder spinaler Muskelatrophie.