Der Ausspruch der Vernunft, insofern er die freien Handlungen geistiger Wesen betrifft, ist schlechthin gültiges, allgemeines Gesetz; was sie gebietet, muss schlechterdings geschehen; was sie erlaubt, darf schlechterdings nicht gehindert werden. Die Stimme der Klugheit ist nur guter Rath; wenn wir klug sind, so werden wir ihn freilich hören: – aber, wenn wir nun nicht so klug sind, als ihr, wenn wir nun eure scharfe Rechenkunst der Vortheile nicht besitzen – freilich ist das übel für uns – aber dürft ihr uns nöthigen, klug zu seyn! Wenn also auf eine unserer Fragen das Sittengesetz uns antwortete: du darfst nicht – so müssen wir es nicht thun, und wenn die Stimme der Klugheit noch so laut riefe: thue es, es ist dein höchster Vortheil; wenn du es unterlässest, so ist dein ganzes Wohl vereitelt, so versinkest du in das tiefste Elend, so stürzen die Trümmer des Weltalls über dich zusammen. Lass sie stürzen, und dich mit dem Bewusstseyn, nicht unrecht gehandelt zu haben, und eines besseren Schicksals würdig zu seyn, in ihrem Schoosse begraben.
Wenn dir das Sittengesetz antwortet: du darfst, – dann gehe hin, und berathe dich mit der Klugheit; dann untersuche deine Vortheile, wäge sie gegeneinander ab, wähle den vollwichtigsten, und geniesse ihn mit gutem Gewissen; dein Herz gesegnet ihn dir.
Johann Gottlieb Fichte: Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution. erstes Heft. Einleitung.