Die Eltern haben die Freiheit – vor der Hand nur die formelle – des Kindes entdeckt: aber jedes freie Wesen ist der Moralität fähig, und soll dazu gebildet werden, mithin auch dieses. Nun müssen sie, um seiner physischen Erhaltung willen, die ihnen ausschliessend aufgelegt ist, dasselbe bei sich haben: sie sonach allein sind es, die dasselbe auch zur Moralität erziehen können.

Es liegt in dieser Pflicht der moralischen Erziehung folgendes. Zuvörderst die Pflicht, die Kräfte des Kindes zweckmässig zu bilden, damit es ein gutes Werkzeug zur Beförderung des Vernunftzweckes seyn könne; also Geschicklichkeit bei ihm hervorzubringen. Dies ist – im Vorbeigehen sey es gesagt, da es hier unsere Absicht nicht seyn kann, die Theorie der Erziehung zu erschöpfen – dies ist denn auch der eigentliche Zweck der Erziehung, sofern sie von Kunst und Regeln abhängt, die freien Kräfte des Zöglings zu entwickeln und zu bilden,. Dann die Pflicht, der gebildeten Freiheit des Zöglings eine moralische Richung zu geben, welches auf keine andere, als die schon angegebene Weise der Beförderung der Moralität ausser uns überhaupt geschehen kann.

 

Johann Gottlieb Fichte: Das System der Sittenlehre nach den Prinzipien der Sittenlehre. Drittes Hauptstück. Dritter Abschnitt. Übersicht der besonderen unmittelbaren Pflichten. § 27. B. II.