Es ist eine der Eigenthümlichkeiten des empirischen Charakters des Menschen dass, so lange eine seiner Gemüthskräfte besonders aufgeregt, und in lebhafter Thätigkeit ist, andere, und das um desto mehr, je mehr sie sich von jener entfernen, unthätig, und gleichsam erschlafft sind: und dass diese ihre Erschlaffung grösser ist, je grösser die Thätigkeit jener. So vergeblich man sich bemühen würde, jemanden, der durch sinnlichen Reiz bestimmt, oder in einem heftigen Affecte ist, durch Vernunftgründe anders zu bestimmen; ebenso sicher ists, dass im Gegensatze eine Erhebung der Seele durch Ideen, oder eine Anstrengung derselben durch Nachdenken möglich ist, bei welcher sinnliche Eindrücke fast ihre ganze Kraft verlieren. Soll in solchen Fällen auf einen Menschen gewirkt werden, so kann es fast nicht anders geschehen, als vermittelst derjenigen Kraft, die eben jetzt in Thätigkeit ist, indem auf die übrigen kaum ein Eindruck zu machen ist, oder wenn er auch zu machen wäre, er nicht hinreichend seyn würde, den Willen des Menschen zu bestimmen.

Einige Gemüthskräfte haben eine nähere Verwandtschaft und einen grösseren wechselseitigen Einfluss auf einander, als andere. Denjenigen, der vom Sinnenreize fortgerissen ist, wird man durch Vernunftgründe vergeblich zurückhalten wollen, aber durch Darstellung eines anderen sinnlichen Eindrucks vermittelst der Einbildungskraft kann es sehr leicht, ohne Anwesenheit des sinnlichen Gegenstandes, also ohne unmittelbare Sinnenempfindung, gelingen. Alle durch empirische Sinnlichkeit bestimmbare Kräfte stehen in solcher Correspondenz.

 

Johann Gottlieb Fichte: Versuch einer Kritik aller Offenbarung. § 8.