Ist irgend etwas, das in die Augen springend den beklagenswürdigen Zustand der Philosophie, als einer Wissenschaft in unseren Tagen zeigt, so sind es dergleichen Ereignisse. Wenn jemand über Mathematik, über Naturlehre, über irgend eine Wissenschaft sich so vernehmen liesse, dass man daraus seine absolute Unwissenheit über die ersten Anfangsgründe der Wissenschaft ersehen könnte: so würde man ihn ohne weiteres in die Schule, der er zu früh entlief, zurückschicken. Allein in der Philosophie darf es so nicht gehalten werden? Wenn hier jemand auf dieselbe Weise sich zeigt, so soll man mit Verbeugungen gegen den scharfsinnigen Mann ihm den Privatunterricht, dessen er bedarf, vor dem ganzen Publicum geben, ohne eine Miene zum Verdruss oder zum Lächeln zu verziehen? Haben denn in zweitausend Jahren die Philosophen auch nicht einen Satz ins reine gebracht, den sie nunmehro ohne weiteren Beweis bei den Kunstverwandten voraussetzen dürften? Giebt es einen solchen Satz, so ist es gewiss der vom Unterschiede der Logik, als einer lediglich formellen Wissenschaft, von der reellen Philosophie oder Metaphysik. –
Johann Gottlieb Fichte: Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre. 7.