Schon die Trennung des Dichters vom wissenschaftlichen Menschen, und insbesondere vom Philosophen beweiset, daß der veränderte Weltzustand eingetreten ist, und daß das Menschengeschlecht schon nach klarer Einsicht ringt. Im Zeitalter der Begeisterung liegen alle diese Stoffe im Seher bei einander.
Die erste Aufgabe, die in dieser Lage an die Gelehrten=Gemeinde gestellt wird, ist die, sich und das Volk bis an das Ende der Tage einander entgegen zu erziehen zum Wechsel klarer Einsicht. Was in dieser Bildung und Erziehung liegt, ist es allerdings, was man im eigentlichen Sinne Gelehrsamkeit nennen muß, wie sich dieses Alles zu seiner Zeit näher ergeben wird. Dennoch ist es unerläßlich, daß in der Gelehrten=Gemeinde Gesichte vorhanden seien, und daß alle gelehrte Bildung nur betrachtet werde, als das Mittel, nach diesen das Volk und die Welt zu gestalten; denn nur unter dieser Bedingung hat die Gelehrten=Gemeinde überhaupt das Recht, da zu sein, ohne dies wäre sie ja selbst Volk; und es wäre überhaupt gar Nichts in der Welt vorhanden denn Volk, oder eigentlicher, da das Volk auch zu Nichts hinauf gebildet werden sollte, Pöbel.
Das Resultat der vorigen Vorlesung ist darum in der heutigen also beschränkt worden: nur in demjenigen Zeitalter, in welchem die Begeisterung als eine zum Handeln treibende Naturkraft verschwunden ist, und lediglich die klare Einsicht herrscht, tritt der Gelehrte an die Spitze der Fortschöpfung der Welt. Früher bedarf es für den vom Gesichte Ergriffenen keiner gelehrten Bildung. Seine Begeisterung ergreift unmittelbar die Umgebung.
Sodann ist auch durch diese Vorlesung der früher im Allgemeinen aufgestellte Begriff des Gelehrten näher bestimmt. Keinesweges der Einzelne, sondern nur eine eng verbundene und in einander verwachsene Gelehrten=Gemeinde macht den Vereinigungspunkt aus zwischen der übersinnlichen Welt und der sinnlichen. Der Einzelne in seiner Absonderung vermag Nichts, und ist Nichts; seine Kraft und sein eigenthümliches Wesen verstößend durch das Ganze, er selbst wiederum sich fortbildend nach dem Ganzen, – allein also ist er Etwas, und die Würde und des Verdienst des Einzelnen beruht darauf, daß er die grade ihm angewiesene Stelle würdig behauptet.
Johann Gottlieb Fichte: Fünf Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten. Zweite Vorlesung.