Intellegere bedeutet verstehen oder begreifen, bzw. wörtlicher – denn es kommt von inter legere, d. i. zwischen etwas wähleneine Auswahl treffen, d. h. unterscheiden. Intelligenz ist also zunächst das Vermögen zu verstehen, zu Deutsch also: der Verstand in der weiteren Bedeutung dieses Wortes. Genauer: Intelligenz ist das Vermögen der Unterscheidung verschiedener Vorstellungen: Zwischen meiner Wand und der Tür in dieser Wand unterscheiden zu können, mir unter beidem Unterschiedliches zu denken, das erfordert Intelligenz. Intelligenz ist notwendig auch ein praktisches Vermögen. Es kann keine rein anschauende Intelligenz geben, sondern Intelligenz bedeutet stets auch ein praktisches Unterscheidungs- und Wahlvermögen, d. i. Freiheit zu handeln.

Eine Intelligenz ist zudem auch jedes Wesen, das Verstand hat: Ein Mensch ist eine Intelligenz. Andere Vernunftwesen sind Intelligenzen. In diesem Sinne gebraucht man das Wort, wenn man heute vergeblich versucht, eine künstliche Intelligenz zu schaffen: Es geht dabei um eine Qualität, nicht um eine Quantität. Man möchte nicht einen besonders leistungsstarken Computer – solche hat man ja längst, wenn sie freilich stets noch einer Steigerung fähig sind: sie können bereits Schachmeister besiegen oder einigermaßen korrekte Texte verfassen, was mehr ist, als viele Menschen, d. i. viele tatsächliche Intelligenzen können –, sondern man möchte einen Computer, der wie ein Mensch ist: Der also begreift und selbstständig, statt nur nach einer Programmierung agieren kann. Eine Intelligenz ist also jedes Wesen, das Selbstbewusstsein hat. Tiere hingegen sind keine Intelligenzen; nicht weil sie notwendig dumm wären, sie können vielmehr sehr geschickt sein, sondern weil ihnen das Selbstbewusstsein und damit das Vermögen der Unterscheidung und Auswahl, welches eben die Intelligenz ist, fehlt. (Freilich wird auch das Tier nicht gegen die Wand, sondern durch die Tür laufen, aber nicht weil es von beidem ein Bewusstsein hat und sie begrifflich unterscheidet, sondern weil es von beiden auf unterschiedliche Weise sinnlich affiziert wird – der Unterschied ist äußerlich: in dem auf sie einfließenden Reiz und der daraus entspringenden Reaktion, nicht innerlich.) Dass man ein bewusstes Wesen Intelligenz nennt, statt nur zu sagen, es habe Intelligenz, ist sehr trefflich. Denn was immer der Materialismus meinen mag: Wir haben nicht einen Verstand oder ein Bewusstsein, wir sind Verstand bzw. Bewusstsein, alles andere haben wir: So bin ich mir bewusst, einen Körper zu haben, aber ich bin mir nicht körper ein Bewusstsein zu haben, dieser Satz ergibt vielmehr gar keinen Sinn.

Intelligenz sollte nur diese beiden Bedeutungen haben, die im Grunde eine sind. Das Wort bezeichnet eine Qualität. Das zugehörige Adjektiv kann entsprechend auch nur besagen, dass jemandem diese Qualität zukommt: Intelligent ist, wer eine Intelligenz ist, d. h. wer Selbstbewusstsein hat: mit anderen Worten: jeder Mensch. Dieses Adjektiv ist nicht steigerbar. Wohl sind Intelligenzen denkbar, deren Einsichten unsere bei weitem übersteigen, aber sie sind doch damit nicht intelligenter als wir: Ebenso wie der Körper eines Elefanten größer oder stärker sein mag als unserer, aber der Elefant deshalb nicht körperlicher ist als wir. Es sind nur Wesen denkbar, die Körper haben, so wie der Mensch, der Elefant, der Einzeller, oder solche, die keinen haben, wenn man sich etwa Engel oder Dschinn gedenkt, aber unter den körperlichen Lebewesen sind alle gleich körperlich, wie sehr sich ihre Körper und deren Fähigkeiten auch unterscheiden mögen, und genau im selben Sinne sind unter den intelligenten Wesen alle gleich intelligent.

Intelligenz ist also kein Synonym für Klugheit und es ist ein unsäglicher Missbrauch mit Worten, wenn man von jemandem, der doch ein Mensch und kein Biest ist, sagt, er sei nicht sonderlich intelligent, oder wenn man einem anderen besonders große Intelligenz zuschreibt. Man sollte aufhören, das Wort in diesem banalen Sinne zu gebrauchen und damit zu beschreiben, wie gut ein Mensch knobeln, kalkulieren und Rätsel und Probleme lösen kann. Unsere so reiche Sprache bietet uns genügend andere Adjektive: Wir können Menschen (und teils auch Tiere) klug, gescheit, scharfsinnig, gewitzt, geschickt und mehr nennen (Wörter, die freilich untereinander nichts weniger als Synonyme sind, sondern feine Nuancen ausdrücken), ohne eine Beschreibung verwenden zu müssen, die dem Tiere nicht gebührt, die aber andererseits jedem Menschen zuzugestehen und eben deshalb zwischen diesen keine Rangunterschiede markieren kann.