Die Geographie der gegenwärtigen Zeit kennen wir am besten. Sie dient außer andern, noch nähern Zwecken auch dazu, die alte Geographie vermittelst der Geschichte aufzuklären. Allein unsere gewöhnliche Schulgeographie ist sehr mangelhaft, obwohl nichts fähiger ist, den gesunden Menschenverstand mehr aufzuhellen als gerade die Geographie. Denn da der gemeine Verstand sich auf die Erfahrung bezieht: so ist es ihm nicht möglich, sich ohne Kenntniß der Geographie auf eine nur einigermaßen beträchtliche Weise zu extendiren. Vielen sind die Zeitungsnachrichten etwas sehr Gleichgültiges. Das kommt daher, weil sie jene Nachrichten nicht an ihre Stelle bringen können. Sie haben keine Ansicht von dem Lande, dem Meere und der ganzen Oberfläche der Erde. Und doch ist, wenn dort z. B. etwas von der Fahrt der Schiffe in das Eismeer gemeldet wird, dies eine äußerst interessante Sache, weil die freilich jetzt schwerlich mehr zu hoffende Entdeckung oder auch nur die Möglichkeit der Durchfahrt durch das Eismeer in ganz Europa die wichtigsten Veränderungen zuwege bringen müßte. Es giebt schwerlich eine Nation, bei der sich der Verstand so allgemein und bis auf die niedrigsten Volksklassen erstreckte, als dies bei der englischen der Fall ist. Ursache davon sind die Zeitungen, deren Lectüre einen extendirten Begriff der ganzen Oberfläche der Erde voraussetzt, weil uns sonst alle darin enthaltenen Nachrichten gleichgültig sind, indem wir keine Anwendung von ihnen zu machen wissen. Die Peruaner sind in der Art einfältig, daß sie alles, was ihnen dargeboten wird, in den Mund stecken, weil sie nicht im Stande sind einzusehen, wie sie eine zweckmäßigere Anwendung davon machen könnten. Jene Leute, die die Zeitungsnachrichten nicht zu benutzen verstehen, weil sie keine Stelle für sie haben, befinden sich mit diesen armen Peruanern, wenn nicht in einem gleichen, so wenigstens in einem sehr ähnlichen Falle.
Immanuel Kant: Physische Geographie. Physische Erdbeschreibung. Einleitung. § 4.