– Übrigens ist das Philosophiren, ohne darum eben Philosoph zu sein, auch ein Mittel der Abwehrung mancher unangenehmer Gefühle und doch zugleich Agitation des Gemüths, welches in seine Beschäftigung ein Interesse bringt, das von äußern Zufälligkeiten unabhängig und eben darum, obgleich nur als Spiel, dennoch kräftig und inniglich ist und die Lebenskraft nicht stocken läßt. Dagegen Philosophie, die ihr Interesse am Ganzen des Endzwecks der Vernunft (der eine absolute Einheit ist) hat, ein Gefühl der Kraft bei sich führt, welches die körperliche Schwächen des Alters in gewissem Maße durch vernünftige Schätzung des Werths des Lebens wohl vergüten kann. – Aber neu sich eröffnende Aussichten zu Erweiterung seiner Erkenntnisse, wenn sie auch gerade nicht zur Philosophie gehörten, leisten doch auch eben dasselbe, oder etwas dem Ähnliches; und sofern der Mathematiker hieran ein unmittelbares Interesse (nicht als an einem Werkzeuge zu anderer Absicht) nimmt, so ist er in sofern auch Philosoph und genießt die Wohlthätigkeit einer solchen Erregungsart seiner Kräfte in einem verjüngten und ohne Erschöpfung verlängerten Leben.

 

Immanuel Kant: Der Streit der Fakultäten. Dritter Abschnitt. Grundsatz der Diätetik. 3).