Ich weiß keine bessere Einführung in den transzendentalen Idealismus und keine verständlichere Erklärung seines zentralen Gedankens als Fichtes Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre und das zweite Buch seiner Bestimmung des Menschen. Dies sind freilich keine Werke Kants. Möchte man diesen selbst hierüber lesen, halte man sich an die Leseempfehlungen, die ich unter den folgenden Vorträgen gebe, denn dieselben Werke Kants, die der Kritik des Erkenntnisvermögens gewidmet sind, sind es auch, die den transzendentalen Idealismus behandeln. Doch kein einziges dieser Werke ist leichte Kost und kein einziges unter ihnen würde ich einem Anfänger in der Philosophie für den Einstieg empfehlen; sie alle hat Kant für Fachphilosophen seiner Tage geschrieben, nicht für ein Laienpublikum. Die beiden genannten Werke Fichtes dagegen sind nicht nur kurz und ganz auf die Hauptsache, die Erklärung des transzendentalen Idealismus, beschränkt, sie sind auch dezidiert populäre Schriften, d. h. für philosophisch interessierte Laien verfasst. Und da gerade der transzendentale Idealismus der revolutionäre Gedanke Kants ist, der fast seinen ganzen Wert als Philosoph ausmacht und mit dem das Verständnis seiner gesamten Philosophie steht und fällt, nehme ich mir hier heraus, jene Schriften zu empfehlen, die ihn nach meinem Urteil am besten vermitteln, selbst wenn sie nicht aus Kants eigener Feder stammen.
Die kopernikanische Revolution, die Immanuel Kant im Denken herbeigeführt hat – und die bis heute kaum in ihrer ganzen Tiefe und Tragweite erfasst wurde -, besteht in der Wende vom transzendentalen Realismus, dem notwendigen Weltbild aller Unaufgeklärten, zum transzendentalen Idealismus. Dies markiert den Höhepunkt der Aufklärung, die durchaus weit mehr und weit radikaler ist als das bisschen Vorurteilsfreiheit oder Kirchenkritik, worauf man sie gerne reduziert. Und dies ist die Einsicht, auf der Kants ganze Philosophie gründet (um hier nicht von ihrem Einfluss sowohl auf die Fortdenker als auch auf die Epigonen Kants, auf Fichte, Schelling, Hegel, Schiller, Schopenhauer und andere mehr zu sprechen). Seine Erkenntnistheorie, seine Metaphysikkritik, sein Freiheitsbegriff, seine Moralphilosophie, seine Religionsphilosophie – sie alle werden nur durch seinen transzendentalen Idealismus verständlich. Dieser aber besteht in der simplen Erkenntnis: Was immer in unserem Bewusstsein ist, ist eben darum eine Vorstellung, nicht ein an sich existierendes Ding.