Das Thema dieses und der folgenden Vorträge wird in Kants Kritik der reinen Vernunft am gründlichsten und erschöpfendsten behandelt. Aber es dürfte dort auch am schwierigsten dargestellt sein. Daher mag der Anfänger sich zunächst mehr an die Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, halten, worin Kant die Hauptgedanken des vorgenannten Werkes zur Einführung in dasselbe darzustellen versuchte. Darüber hinaus empfehle ich auch die Lektüre seiner Metaphysik–Vorlesungen, die zwar auch viel Scholastisches und viele Auseinandersetzungen mit der damaligen Schulmetaphysik enthalten, gerade aber in ihren allgemeinen und einführenden Abschnitten oft leichter verständlich sind, als die Kritik der reinen Vernunft.
Wie (logische) synthetische Urteile a priori möglich sind, ist die zentrale Frage der Kritik der reinen Vernunft: Urteile, die unsere Erkenntnis erweitern, aber dabei doch nicht auf Erfahrung fußen. Kants Antwort lautet: Nur analytische Urteile sind diskursiv, also Urteile des bloßen begrifflichen Denkens. Alle synthetischen Urteile bedürfen einer Anschauung, in der sie die Begriffe verbinden und durch die sie die Erkenntnis erweitern. Der Mensch hat aber nach Kant nur eine sinnliche, also eine empfangende Anschauung, keine intellektuelle, also ihre Gegenstände selbsttätig hervorbringende Anschauung. Damit sind synthetische Urteile a priori zwar möglich – aber nur immanente von Gegenständen der Erfahrung (Phänomenen), sie können niemals transzendent auf Dinge an sich (Noumene) gehen.