An SPD, CDU und Freie Wähler, an Hakan Demir, an Mandana Share, an Nimet Avci, an Christiana Schwarzer, an Falko Liecke,

 

ich schreibe Ihnen gemeinsam, weil Sie dieses gleichermaßen betrifft und hier durchaus kein Unterschied zwischen Ihren Parteien besteht:

Im Laufe der vergangenen Wochen fand ich mehrmals Ihre Flyer in meinem Briefkasten; einmal genügte wohl nicht, sowohl SPD als auch CDU mussten mich mehrmals damit belästigen: von der CDU habe ich insgesamt vier, von der SPD zwei fast identische Flyer erhalten, als würde der zweite irgendjemanden überzeugen, der sie nach dem ersten noch nicht wählen möchte. Jede Partei aber, die irgendwelche Briefe, Flyer oder andere Zettel in meinen Briefkasten wirft, macht sich damit für mich sofort und ungeachtet ihres Programms oder ihrer Kandidaten gänzlich unwählbar. Ich will Ihnen erklären, warum, auch wenn die Tatsache, dass ich es erst erklären muss und es sich für Sie nicht unmittelbar von selbst versteht, eben schon ein Teil dessen ist, was Ihre Unwählbarkeit ausmacht.

  1. Diese Wahlkampfmethoden sind schon an sich abzulehnen. Im öffentlichen Raum können Sie Ihre Plakate aufhängen und auf sich aufmerksam machen; wochenlang Politikergesichter bei jedem Gang auf die Straße zu sehen, ist vielleicht nicht schön, aber wer in die Öffentlichkeit hinaustritt, muss mit Unschönem und Unerquicklichem umgehen können. Nichts aber rechtfertigt, den Bürger noch bis ins Private hinein zu verfolgen, indem man seinen Briefkasten derart mit Zetteln zumüllt. Es handelt sich hier nicht nur um eine Belästigung und Zudringlichkeit, bei der der Wahlkampf die Grenze ins Private überschreitet, es ist auch eine Ressourcenverschwendung. Sie wissen so gut als ich, dass der überwiegende Großteil Ihrer Flyer ungelesen in den Mülleimern landen wird. Ich weiß nicht, ob es irgendwo einen einzigen Menschen gibt, der eine Partei, die er sonst nicht gewählt hätte, wegen eines gephotoshopten Kandidatenbildes und vier, fünf Wahlkampfphrasen auf einem Flyer nun doch wählt; gibt es diesen Menschen, sollte man ihm, gleich um welche Partei es sich handelt, das Wahlrecht entziehen und ihn für Unzurechnungsfähig erklären, denn er wäre eine öffentliche Gefahr. Jedenfalls gilt: Wenn CDU, Freie Wähler und SPD im Geld schwimmen und so vieles davon zum Fenster rausschmeißen wollen, so ist das ihre Sache, wenn es auch sicher sinnvollere Möglichkeiten gäbe, dieses Geld auszugeben; der Verbrauch von Papier und Energie in diesem Umfang ist aber nicht Ihre Sache, sondern die meine und die meiner Generation und aller jüngeren, welche Ihnen schon seit drei Jahren den deutlichen Auftrag geben, ihr Recht auf Leben zu achten. Tun Sie Ihre Wahlflyer dabei nicht als Kleinigkeit ab. Diese nicht zu drucken, hätte freilich das Klima nicht gerettet. Aber das werden ebenso eine CO2-Steuer oder ein Kohleausstieg für sich nicht leisten, sondern der ökologischen Krise kommen wir nur bei, wenn wir sie eben endlich als Krise begreifen und wenn wir, über einzelne Parolen und punktuelle Maßnahmen hinaus zu einem radikalen Umdenken, zu einem grundsätzlich anderen, d. i. bewussteren, achtsameren und schonenderen Umgang mit unserer Mitwelt und ihren Ressourcen bereit sind, statt gedankenlos fortzufahren wie bisher. Wer tausende Flyer verteilt, wissend, dass sie in den Mülleimern landen werden, anstatt innezuhalten, bisherige Wahlkampfmethoden zu hinterfragen und ggf. hier die Kreativität an den Tag zu legen, nach neuen und bekömmlicheren Wegen zu suchen, sein Ziel zu erreichen – dem traue ich im Größeren nicht zu, es besser zu machen.

Ich weiß, das wird Sie nicht kümmern. Wir leben heute in einer Gesellschaft, wo kaum jemand zu der scharfen Trennung zwischen öffentlich und privat fähig ist, am wenigsten die Politiker. Wichtiger noch: Zu solchen Wahlkampfmethoden greifen viele, wie ja auch darin deutlich wird, dass  ich hier jetzt drei Parteien zugleich schreibe, Sie werden also sogleich losseiern wollen: das seien ganz übliche Wahlkampfmethoden. Nun, das sind sie – aber üblich kann vieles sein: üblich war einmal die Sklaverei und einmal der gelbe Stern für Juden, üblich ist heute die Korruption und das routinierte und gänzlich schamlose Lügen bei unseren Politikern wie ihren Wählern, üblich ist heute auch die ganz bewusste und rücksichtslose Zerstörung der menschlichen Zivilisation durch die Klimakrise. Eine Regierung soll gestalten und den Fortschritt befördern. Ich wähle keine Politiker und keine Parteien, die tun, was üblich ist, anstatt etwas Besseres zum Üblichen zu machen:  Ich verlange, dass Sie nicht positivistisch das Hergebrachte hinnehmen und gedankenlos reproduzieren, ich verlange, dass Sie klare sittliche Prinzipien haben und diesen gemäß handeln, was immer sonst der Fall sein mag.

  1. Ihre Missachtung des Bürger wiegt hier noch schwerer, denn sie ist nicht nur eine allgemeine, indem Sie in seine private Sphäre eindringen, sondern Sie haben mich noch einmal ganz persönlich missachtet: Auf meinem Briefkasten steht nämlich ausdrücklich, dass ich keine Werbung wünsche. Nichts gab Ihnen Anlass, anzunehmen, dass politische Werbung hiervon ausgenommen sei. Wenn Sie diesen meinen Wunsch einfach übergehen, weil Sie offenbar Ihren Wahlkampf für wichtiger halten als meinen Willen, so zeigt das, dass Sie mich und meine Anliegen nicht achten und ernst nehmen. Und wenn Sie das nicht einmal bei einer solchen Kleinigkeit können, wo es Sie nichts kosten würde, wieso sollten Sie es dann im Größeren vermögen? Es versteht sich aber, dass ich keine Parteien wähle, die meine Wünsche nicht achten und die mich als ihr Stimmvieh, statt sich als meine Diener begreifen.
  2. Zum dritten wiegt das Fehlverhalten im Falle von CDU und SPD noch einmal schwerer, weil Ihnen all dies nicht zum ersten Mal mitgeteilt wird. Ich habe Ihnen auch bei vergangenen Wahlen derart auf Ihre Wahlwerbung in meinem Briefkasten geantwortet. Bei der letzten Bundestagswahl antwortete ich der SPD sogar nicht bloß einmal, sondern nach jedem ihrer insgesamt drei Werbezettel, was doch ungehört verhallt sein muss, hat es ja die erneuten Briefe nicht verhindert, damals nicht und heute nicht. Sehen wir einmal davon ab, wie 2016, als ich Frau Dr. plag. Giffey auf einen Wählerbrief antwortete, diese mich und meine Schüler vor der Wahl zum Gespräch einlud, um mich nach der Wahl wieder auszuladen und meinen Brief meiner Arbeitsstelle zu schicken, zu welch bürgerfeindlichen Methoden immerhin der Rest ihrer Partei wie auch die CDU noch nicht gegriffen hat, habe ich auf meine Schreiben noch keine Reaktionen erhalten. Und wenn die beiden erstgenannten Punkte nicht reichten, Ihre Parteien nicht zu wählen, so täte es spätestens das. Ich weiß es wohl, der Bürger ist ein Störfaktor, „Politik könnte so schön sein, wenn nur der Bürger nicht wäre“, wie hier in Neukölln mir und meinen Klassenkameraden einst Heinz Buschkowsky sagte; von der lästigen Formalie der Demokratie, d. i. der Wahlen alle paar Jahre einmal abgesehen ist unsere politische Kaste dem Bürger heute vielfach ferner als einst der König seinen Untertanen, aber wenn Sie meine Stimme, wenn Sie überhaupt den ewigen Abwärtstrend einmal beenden wollen, in dem Ihre beiden Parteien gefangen sind, so werden Sie endlich einmal begreifen müssen, dass Sie es nicht besser zu wissen und nicht über den Bürger hinweg zu herrschen, sondern dass Sie diesem zu gehorchen haben. Den Wahlkampf ungebeten ins Private zu tragen und dabei Ressourcen zu vergeuden, meine Bitte, mir keine Werbung einzuwerfen, zu ignorieren – das ist das eine; aber spätestens, wenn ich Ihnen ausdrücklich befehle, mich künftig mit derlei Wahlwerbung in Frieden zu lassen, haben Sie diesem Willen eines Bürgers Folge zu leisten, anstatt dass er ihn bei jeder Wahl aufs Neue wiederholen muss und doch ungehört bleibt, da kann es unter Vernünftigen keine zwei Meinungen geben, weil Vernünftige keine unverdienten Respektlosigkeiten dulden.

Ich bitte übrigens – wenigstens diese eine Bitte könnten Sie zur Abwechslung ja erfüllen – mich mit Antworten in Frieden zu lassen. Ich bin Aufklärer von Beruf, Phrasen und Floskeln wirken bei mir nicht, auch wenn ich weiß, dass ich Ihnen diese schwer ausreden kann, weil man Ihnen Unrecht täte, wollte man hinter diesen nur Berechnung wittern und nicht sehen, dass Sie sich wirklich derart kaputtgemacht und psychisch versteift haben, dass Sie sie gar nicht mehr abschalten können. Ich muss keine leere Entschuldigung hören, auch keine Erklärung, dass das übliche Wahlkampfmethoden oder dass Flyereinwürfe bei Menschen, die sie nicht wünschen, leider nicht vermeidbar seien (das wären sie nämlich wohl: indem man Flyereinwürfe, wissend, dass manche sie nicht wünschen, einfach GANZ unterließe; wer Kollateralschäden in Kauf nimmt, ist nicht wählbar). Die einzige Reaktion, die ich wünsche, ist, dass Sie künftig mich und meinen Briefkasten zufriedenlassen. Sie mögen einzig noch eine aufrichtige (!) Entschuldigung hinzusetzen, aber ich habe es nicht sehr mit Kriecherei und ziehe Taten Worten vor, kann also selbst auf solch eine verzichten. Sind Sie nicht bereit, künftig meinen Briefkasten mit Ihren Flyern zu verschonen, so können Sie sich jede Antwort sparen: sie ist dann nur eine noch tiefere Missachtung.

 

Es gibt freilich genug andere Gründe, Ihre Parteien, insbesondere SPD und Union, nicht zu wählen.

Diese Gründe gibt es hier in Neukölln: Da hetzen die SPD-Bürgermeister, wie immer sie gerade heißen mögen, um sich bundesweit zu profilieren, gegen ihre eigenen Bürger, befeuern die Mär von den kriminellen Clans, welche sich in Schlagzeilen und Talkshows gut zum Bedienen von Ressentiments eignen, von welchen nur leider wir Neuköllner, die wir hier vor Ort leben und tagtäglich von ihnen terrorisiert werden müssten, nie etwas mitbekommen außer eben durch ihre Hetze, bekämpfen aktiv die Integration von Frauen mit Kopftuch, auch wider das Grundgesetz, und sehen zugleich zu, wie ihr Bezirk jahrelang von einer Nazianschlagsserie heimgesucht wird, gegen welche vorzugehen freilich nicht so gut bei den Stammtischen ankommt wie gegen ein Schreckgespenst Clankriminalität. Da ist die CDU in alledem, wie sich versteht, in nichts besser, ja lässt es sich selbst nun auf ihrem Flyer nicht nehmen, von kriminellen Clans zu fabulieren (aber diese Flyer sind ja nicht an die deutsche Öffentlichkeit, sondern an die Wähler hier vor Ort gerichtet – nur wen glaubt man, hier damit hinter dem Ofen hervorzulocken?), und weder ich noch sonst einer der damals Beteiligten wird wohl so bald vergessen, wie ihr neuköllner Bürgermeisterkandidat, als er ein rassistisches Pamphlet, das man noch manchem AfDler nicht zutrauen möchte, veröffentlicht hatte und dafür auf Facebook von neuköllner Jugendlichen aus einem hiesigen Jugendclub kritisiert worden war, auf die Kritik eines derselben, bloß weil er den Nachnamen einiger Krimineller teilte, pöbelte, „Na, schon aus dem Knast raus?“, um sich dann selbstherrlich selber in jenen Jugendclub einzuladen, wie auch kein Beteiligter vergessen wird, wie er sich vor Ort dann blamiert und seine völlige Dialogunfähigkeit und Unredlichkeit demonstriert hat (ob er wohl all dies meint, wenn er jetzt in seinem Flyer von sich schreiben lässt, er habe [d]as Ohr direkt am Menschen“?).

Diese Gründe gibt es auch im Bund. Da heißen sie Scholz und Giffey und Maas, Klöckner und Scheuer und Spahn, da heißen sie Betrug, Lügen, Korruption, Menschenverachtung, Mord, da heißen sie Cum Ex, Maskendeal, Promotionsbetrug, Maut und Afghanistan und tragen noch viele widerliche Namen mehr. Das alles ist bekannt, wie auch bekannt ist, dass dies alles gar nicht ins Gewicht fällt neben dem einen, alles überragenden Grunde: dass Ihre beiden Parteien wie auch wiederum die Freien Wähler, wenn nicht in Worten, so doch nachweislich den Taten nach die Klimakrise verleugnen und mit ihrem Business as usual, ihrem Verharmlosen, Verschieben, Blockieren, Vermauscheln, Gegeneinanderausspielen und Gelassenbleiben, wo Ihnen von der Vernunft befohlen wurde, in die der Situation angemessene Panik zu verfallen, aktiv daran arbeiten, die seit dem bronzezeitlichen Zusammenbruch über Jahrtausende aufgebaute Zivilisation zu einem neuen Zusammenbruch zu bringen und ihren Kindern ein größeres Trümmerfeld zu hinterlassen als die Nazigeneration den ihren. Das alles ist bekannt, sage ich, es gibt daher heute nicht einen einzigen Vernünftigen und Sittlichen Menschen, der Ihre Parteien wählt, und wer es dennoch selbst heute noch tut, dürfte durchaus unberührbar sein. Die SPD und Herr Demir geben sich in ihren beiden Flyern an mich wenigstens noch den Anstrich, sich in irgendeiner Form ums Klima, als ein Themachen unter anderen immerhin, zu scheren, Herr Demir mag sogar auf persönlich-menschlicher Ebene gutmütig und naiv genug sein, dies wirklich zu meinen. In den Flyern von CDU und Freien Wählern und Ihren Kandidaten finde ich das Klima hingegen mit keinem Worte auch nur angesprochen. Frau Avci erwähnt zwar ihre beiden Kinder, scheint diese aber zu hassen, wenn sie sich ernsthaft lieber mit Spätiöffnungszeiten als mit der Vernichtung ihrer Zukunft befasst. Frau Schwarzer stellt sich zwar vornehmlich als, Kinder- und Jugendpolitikerin hin, kämpft aber nicht gegen die fortdauernde Entrechtung junger Menschen, die auch bei dieser Wahl, die wie keine über ihre Zukunft entscheidet, keine Stimme haben, sie brüstet sich auch nur mit der Ächtung von Kinderehen und härteren Strafen gegen Kinderpornographie, die sie erreicht habe – gefällige Themen, mit denen man an den Stammtischen punkten kann, nur sind die drei, vier Kinderehen in Deutschland, die Frau Schwarzer erfolgreich bekämpft haben mag, nichts im Vergleich zur Infragestellung des Lebensrechts ALLER Kinder in Deutschland und dem Raub ihrer Zukunft, derer sie seltsamerweise geschweigt. Herr Liecke fabuliert von „ideologiefreie[m] miteinander von [sicher rein zufällig zuerst genanntem] Auto, BVG und Rad“, erwähnt aber nicht, dass ein gänzlich ideologiefreier, vernünftiger und wissenschaftsbasierter Blick heute nur zu dem einen Ergebnis kommen kann, dass das Auto eben weitgehend ausgedient hat und eine Zukunft (um von einer unmittelbar lebenswerten Stadt zu schweigen) nur ohne dieses möglich ist, während nur reine Ideologie sich noch am Privatauto für jedermann als Hauptfortbewegungsmittel festhalten kann. Über Frau Share lässt sich nichts Besseres sagen als, dass sich über sie nichts Schlechteres sagen lässt, als dass sie eben mit keinem Wort auch nur andeutet, mitbekommen zu haben, dass sie in der größten Krise lebt, die das Menschengeschlecht je durchmachte. CDU und Freien Wählern ist daher mit besonderem Nachdruck zu sagen: Die einzigen Wähler, die 2021 – nachdem Greta Thunberg und Millionen andere für ihre Zukunft auf die Straße gingen, nachdem Australien und die Türkei brannten, nachdem in Deutschland zahllose Menschen ertranken, nachdem die Forscher vor Insektensterben, dem zunehmenden Schwächerwerden des Golfstroms und dem Kippen des Amazonas mit immer größerem Nachdruck warnen – noch bereit sind, Parteien zu wählen, die nicht einmal im Nebensatz auf die ökologische Krise eingehen, Menschen sind, von denen gewählt zu werden jeder rechtschaffene Mensch sich schämen würde.

 

Aber trotz alledem möchte ich klarstellen, dass es mir in diesem Briefe NICHT um Inhalte, nicht um Ihre sonstige Politik und Ihr Personal, sondern nur um diese Ihre Wahlkampfmethode und Ihre unmittelbare Missachtung des Bürgers geht, ohne die ich Ihnen nicht geschrieben haben würde. Ich möchte daher auch klarstellen, dass dieser Brief keine Abrechnung mit Ihren Parteien, ja dass es  Zufall ist, dass ich heute gerade Ihnen schreibe: Sie haben mir eben bei dieser Wahl Ihren Müll im Briefkasten hinterlassen. Hätten es andere auch getan, hätte ich auch diesen geschrieben, und zwar unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung oder ihrer Größe, so wie in der Vergangenheit auch schon die Grünen oder eine Kleinstpartei wie DiB derart gerügt wurden, als sie von meinem Briefkasten die Finger nicht lassen konnten. Lesen Sie meine Zeilen also bitteschön ohne politische Vorurteile oder übliches Schubladendenken: Ich bin Philosoph, Tagespolitik interessiert mich nicht und ganz gewiss erkiese ich nicht so etwas Banales wie irgendeine politische Partei zu einem besonderen Feind, den ich gegenüber anderen herausheben müsste. Ich diskriminiere bei Parteien nicht, offene Naziparteien höchstens ausgenommen (d. h. ich würde mir nicht die Mühe machen, etwa der AfD zu antworten, fände ich ihren Flyer in meinem Briefkasten, denn diese ist ja so ehrlich, gar nicht erst so zu tun, als wäre ihr an Menschenachtung oder an Deutschlands Zukunft gelegen, sie würde also damit immerhin keiner Heuchelei schuldig). Nochmals: JEDE Partei, die bei mir einen Flyer im Briefkasten hinterlässt, wird schon allein dadurch gänzlich unwählbar für mich, weil sie eben schon allein dadurch deutlich macht, dass sie mich nicht achtet. Ich weiß, dass Sie, dass auch viele, die diese Zeilen sonst lesen, das nicht werden begreifen können, sondern es vielmehr für überzogen halten werden. Wer so urteilt, wird aber auch nie ein Mensch sein, dem viel daran liegt, geachtet zu werden. Würden mehr sich grundsätzlich weigern, Parteien zu wählen, die dem Bürger keine Achtung entgegenbringen, die Welt wäre eine andere und die Menschen müssten sich am Ende weniger über diesen politischen Zirkus und seine Folgen ärgern, den sie doch nach wie vor mittragen – das aber wird kaum geschehen, solange sie nicht ihrerseits bereit sind, Achtung zu leben, denn wenigstens so ehrlich ist noch der größte Lügner, dass kein Mensch andren ernsthaft Achtung abfordert, der nicht selbst von ihr erfüllt ist. Für wie überzogen oder wie lobenswert man diese meine Zeilen hält, wird also nur ein guter Gradmesser für die je eigene Sittlichkeit sein.

 

PS. an die CDU: Auch wenn ich inhaltlich auf Ihre und der SPD und Freien Wähler Wahlwerbung nicht eingehen wollte und Sie sich schon unabhängig von allem Inhalt als unwählbar gezeigt haben, kann ich doch an zwei Punkten nicht davon lassen:

Ich verbitte mir als Philosoph, d. h. als ein Mensch, der tatsächlich weiß, was Vernunft bedeutet, dass Frau Schwarzer deren hehren Namen zur leeren Phrase herabwürdigt. Es gibt kein Recht, das Etikett „Vernunft“, wie gerade rechte und liberale Parteien so gerne tun, auf alles draufzuklatschen, was man selbst gut findet (oder, so scheint das Wort gerne verstanden zu werden: auf alles, was möglichst kaltherzig und asozial ist): das Wort hat einen klar bestimmten Sinn – und es sollte nicht von „Vernunft statt Ideologie“ reden, wer noch im selben Satz die rein ideologische Rede von „soziale[r] Marktwirtschaft statt sozialistisch[r] Umverteilung“ führt, denn nichts ist abgeschmackter ideologisch, als noch im Jahre 2021, lange nach dem Tod jedes Sozialismus, das Schreckgespenst Sozialismus an die Wand zu malen und zu tun, als würde irgendeine größere Partei, ob nun SPD, Grüne oder auch Linke, auch nur einen gemäßigten Abklatsch von Sozialismus vertreten.

Sie schreiben zudem ernsthaft, sie wären gegen die Bebauung neuköllner Friedhofsflächen wie von SPD und Grünen geplant, was „besonders vor dem Hintergrund des sich vollziehenden Klimawandels äußerst kurzsichtig“ wäre. Ob dem inhaltlich beizupflichten ist oder nicht, sei dahingestellt, aber es ist schon eine besondere Dreistigkeit und Schamlosigkeit nötig, um sich als CDU solch eine Argumentation ausdenken und ernsthaft verkünden zu können: Wer ganz offen das Wirtschaftswachstum der nächsten fünf oder zehn Jahre über die Zukunft des Menschengeschlechts (und damit übrigens auch der Wirtschaft) stellt, wer auf das Pariser Klimaabkommen pfeift und Ziele verfolgt, die faktisch die Herbeiführung unumkehrbarer ökologischer Kipppunkte bedeuten, wer  einen Mann ins Kanzleramt bringen will, der den Mord (sic!) an über 160 Menschen in Deutschland für eine Angelegenheit hält, derentwegen man nicht plötzlich seine Politik ändere (um davon zu schweigen, dass er selbst ganz aktiv ein Mörder ist), der sollte nicht plötzlich bei irgendeiner kommunalen Lappalie Klimaschutz vorzuschützen, nur um der Konkurrenz eins auszuwischen. Ich gestehe, selbst rein taktisch begreife ich schwerlich, was das soll: Sie wissen doch so gut als ich, dass Sie in Neukölln im Süden, in Rudow mit der AfD um die paar dortigen Stimmen buhlen und die dortigen Wähler ja eher mit Rassismus als mit Klimaschutz zu erreichen sind, während die Hipster im neuköllner Norden Grüne und Linke wählen (wüsste Falko Liecke nicht, wo seine Wähler hocken und wer sie sind, er würde nicht fettgedruckt von einer „starken Führung im Bezirksamt“, würde nicht vom „beherzte[n] Angehen der Verwahrlosung auf unseren Straßen“ oder eben von „klare[r] Ansage gegen das organisierte Verbrechen und kriminelle Clans“ sprechen: der Mann ist der deutschen Sprache auf niedrigster Ebene nicht mächtig und ein ziemlich beschränkter Kopf, aber für so strunzdumm möchte er doch sicher nicht, dass ich ihn halte) – Sie werden ja wohl selbst nicht glauben, von denen auch nur einen mit diesem Satz plötzlich für sich gewinnen zu können, was also versprechen Sie sich von derlei Unfug?