Aufklärung

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„Jener Reisende, der viel Länder und Völker und mehrere Erdtheile gesehn hatte und gefragt wurde, welche Eigenschaft der Menschen er überall wiedergefunden habe, sagte: sie haben einen Hang zur Faulheit. Manchen wird es dünken, er hätte richtiger und gültiger gesagt: sie sind alle furchtsam. Sie verstecken sich unter Sitten und Meinungen. Im Grunde weiss jeder Mensch recht wohl, dass er nur einmal, als ein Unicum, auf der Welt ist und dass kein noch so seltsamer Zufall zum zweiten Mal ein so wunderlich buntes Mancherlei zum Einerlei, wie er es ist, zusammenschütteln wird: er weiss es, aber verbirgt es wie ein böses Gewissen — weshalb? Aus Furcht vor dem Nachbar, welcher die Convention fordert und sich selbst mit ihr verhüllt. Aber was ist es, was den Einzelnen zwingt, den Nachbar zu fürchten, heerdenmässig zu denken und zu handeln und seiner selbst nicht froh zu sein? Schamhaftigkeit vielleicht bei Einigen und Seltnen. Bei den Allermeisten ist es Bequemlichkeit, Trägheit, kurz jener Hang zur Faulheit, von dem der Reisende sprach. Er hat Recht: die Menschen sind noch fauler als furchtsam und fürchten gerade am meisten die Beschwerden, welche ihnen eine unbedingte Ehrlichkeit und Nacktheit aufbürden würde. Die Künstler allein hassen dieses lässige Einhergehen in erborgten Manieren und übergehängten Meinungen und enthüllen das Geheimniss, das böse Gewissen von Jedermann, den Satz, dass jeder Mensch ein einmaliges Wunder ist, sie wagen es, uns den Menschen zu zeigen, wie er bis in jede Muskelbewegung er selbst, er allein ist, noch mehr, dass er in dieser strengen Consequenz seiner Einzigkeit schön und betrachtenswerth ist, neu und unglaublich wie jedes Werk der Natur und durchaus nicht langweilig. Wenn der grosse Denker die Menschen verachtet, so verachtet er ihre Faulheit: denn ihrethalben erscheinen sie als Fabrikwaare, als gleichgültig, des Verkehrs und der Belehrung unwürdig. Der Mensch, welcher nicht zur Masse gehören will, braucht nur aufzuhören, gegen sich bequem zu sein; er folge seinem Gewissen, welches ihm zuruft: ‚sei du selbst! Das bist du alles nicht, was du jetzt thust, meinst, begehrst.‘

Jede junge Seele hört diesen Zuruf bei Tag und bei Nacht und erzittert dabei; denn sie ahnt ihr seit Ewigkeiten bestimmtes Maass von Glück, wenn sie an ihre wirkliche Befreiung denkt: zu welchem Glücke ihr, so lange sie in Ketten der Meinungen und der Furcht gelegt ist, auf keine Weise verholfen werden kann. Und wie trost- und sinnlos kann ohne diese Befreiung das Leben werden! Es giebt kein öderes und widrigeres Geschöpf in der Natur als den Menschen, welcher seinem Genius ausgewichen ist und nun nach rechts und nach links, nach rückwärts und überallhin schielt. Man darf einen solchen Menschen zuletzt gar nicht mehr angreifen, denn er ist ganz Aussenseite ohne Kern, ein anbrüchiges, gemaltes, aufgebauschtes Gewand, ein verbrämtes Gespenst, das nicht einmal Furcht und gewiss auch kein Mitleiden erregen kann. Und wenn man mit Recht vom Faulen sagt, er tödte die Zeit, so muss man von einer Periode, welche ihr Heil auf die öffentlichen Meinungen, das heisst auf die privaten Faulheiten setzt, ernstlich besorgen, dass eine solche Zeit wirklich einmal getödtet wird: ich meine, dass sie aus der Geschichte der wahrhaften Befreiung des Lebens gestrichen wird. Wie gross muss der Widerwille späterer Geschlechter sein, sich mit der Hinterlassenschaft jener Periode zu befassen, in welcher nicht die lebendigen Menschen, sondern öffentlich meinende Scheinmenschen regierten; weshalb vielleicht unser Zeitalter für irgend eine ferne Nachwelt der dunkelste und unbekannteste weil unmenschlichste Abschnitt der Geschichte sein mag. Ich gehe durch die neuen Strassen unserer Städte und denke wie von allen diesen greulichen Häusern, welche das Geschlecht der öffentlich Meinenden sich erbaut hat, in einem Jahrhundert nichts mehr steht und wie dann auch wohl die Meinungen dieser Häuserbauer umgefallen sein werden. Wie hoffnungsvoll dürfen dagegen alle die sein, welche sich nicht als Bürger dieser Zeit fühlen; denn wären sie dies, so würden sie mit dazu dienen, ihre Zeit zu tödten und sammt ihrer Zeit unterzugehen — während sie die Zeit vielmehr zum Leben erwecken wollen, um in diesem Leben selber fortzuleben.

Aber auch wenn uns die Zukunft nichts hoffen liesse — unser wunderliches Dasein gerade in diesem Jetzt ermuthigt uns am stärksten, nach eignem Maass und Gesetz zu leben: jene Unerklärlichkeit, dass wir gerade heute leben und doch die unendliche Zeit hatten zu entstehen, dass wir nichts als ein spannenlanges Heute besitzen und in ihm zeigen sollen, warum und wozu wir gerade jetzt entstanden. Wir haben uns über unser Dasein vor uns selbst zu verantworten; folglich wollen wir auch die wirklichen Steuermänner dieses Daseins abgeben und nicht zulassen, dass unsre Existenz einer gedankenlosen Zufälligkeit gleiche. Man muss es mit ihr etwas kecklich und gefährlich nehmen: zumal man sie im schlimmsten wie im besten Falle immer verlieren wird. Warum an dieser Scholle, diesem Gewerbe hängen, warum hinhorchen nach dem, was der Nachbar sagt? Es ist so kleinstädtisch, sich zu Ansichten verpflichten, welche ein paar hundert Meilen weiter schon nicht mehr verpflichten. Orient und Occident sind Kreidestriche, die uns jemand vor unsre Augen hinmalt, um unsre Furchtsamkeit zu narren. Ich will den Versuch machen, zur Freiheit zu kommen, sagt sich die junge Seele; und da sollte es sie hindern, dass zufällig zwei Nationen sich hassen und bekriegen, oder dass ein Meer zwischen zwei Erdtheilen liegt, oder dass rings um sie eine Religion gelehrt wird, welche doch vor ein paar tausend Jahren nicht bestand. Das bist du alles nicht selbst, sagt sie sich. Niemand kann dir die Brücke bauen, auf der gerade du über den Fluss des Lebens schreiten musst, niemand ausser dir allein. Zwar giebt es zahllose Pfade und Brücken und Halbgötter, die dich durch den Fluss tragen wollen; aber nur um den Preis deiner selbst; du würdest dich verpfänden und verlieren. Es giebt in der Welt einen einzigen Weg, auf welchem niemand gehen kann, ausser dir: wohin er führt? Frage nicht, gehe ihn. Wer war es, der den Satz aussprach: ‚ein Mann erhebt sich niemals höher, als wenn er nicht weiss, wohin sein Weg ihn noch führen kann‘?

Aber wie finden wir uns selbst wieder? Wie kann sich der Mensch kennen? Er ist eine dunkle und verhüllte Sache; und wenn der Hase sieben Häute hat, so kann der Mensch sich sieben mal siebzig abziehn und wird doch nicht sagen können: ‚das bist du nun wirklich, das ist nicht mehr Schale.‘ Zudem ist es ein quälerisches gefährliches Beginnen, sich selbst derartig anzugraben und in den Schacht seines Wesens auf dem nächsten Wege gewaltsam hinabzusteigen. Wie leicht beschädigt er sich dabei so, dass kein Arzt ihn heilen kann. Und überdiess: wozu wäre es nöthig, wenn doch Alles Zeugniss von unserm Wesen ablegt, unsre Freund- und Feindschaften, unser Blick und Händedruck, unser Gedächtniss und dass, was wir vergessen, unsre Bücher und die Züge unsrer Feder. Um aber das wichtigste Verhör zu veranstalten, giebt es dies Mittel. Die junge Seele sehe auf das Leben zurück mit der Frage: was hast du bis jetzt wahrhaft geliebt, was hat deine Seele hinangezogen, was hat sie beherrscht und zugleich beglückt? Stelle dir die Reihe dieser verehrten Gegenstände vor dir auf, und vielleicht ergeben sie dir, durch ihr Wesen und ihre Folge, ein Gesetz, das Grundgesetz deines eigentlichen Selbst. Vergleiche diese Gegenstände, sieh, wie einer den andern ergänzt, erweitert, überbietet, verklärt, wie sie eine Stufenleiter bilden, auf welcher du bis jetzt zu dir selbst hingeklettert bist; denn dein wahres Wesen liegt nicht tief verborgen in dir, sondern unermesslich hoch über dir oder wenigstens über dem, was du gewöhnlich als dein Ich nimmst. Deine wahren Erzieher und Bildner verrathen dir, was der wahre Ursinn und Grundstoff deines Wesens ist, etwas durchaus Unerziehbares und Unbildbares, aber jedenfalls schwer Zugängliches, Gebundenes, Gelähmtes: deine Erzieher vermögen nichts zu sein als deine Befreier. Und das ist das Geheimniss aller Bildung: sie verleiht nicht künstliche Gliedmaassen, wächserne Nasen, bebrillte Augen, — vielmehr ist das, was diese Gaben zu geben vermöchte, nur das Afterbild der Erziehung. Sondern Befreiung ist sie, Wegräumung alles Unkrauts, Schuttwerks, Gewürms, das die zarten Keime der Pflanzen antasten will, Ausströmung von Licht und Wärme, liebevolles Niederrauschen nächtlichen Regens, sie ist Nachahmung und Anbetung der Natur, wo diese mütterlich und barmherzig gesinnt ist, sie ist Vollendung der Natur, wenn sie ihren grausamen und unbarmherzigen Anfällen vorbeugt und sie zum Guten wendet, wenn sie über die Äusserungen ihrer stiefmütterlichen Gesinnung und ihres traurigen Unverstandes einen Schleier deckt.

Gewiss, es giebt wohl andre Mittel, sich zu finden, aus der Betäubung, in welcher man gewöhnlich wie in einer trüben Wolke webt, zu sich zu kommen, aber ich weiss kein besseres, als sich auf seine Erzieher und Bildner zu besinnen.“

Friedrich Wilhelm Nietzsche: Unzeitgemässe Betrachtungen. Drittes Stück: Schopenhauer als Erzieher. 1.

„Mit der Entwickelung dieses unseres in diesen Vorträgen allein Leben zu benennenden Lebens, – innerhalb des ganzen, nach dem Gesetze zu Stande gekommenen Lebens, geht es gerade also zu, wie mit dem physischen Tode. So wie dieser, in seinem natürlichen Gange, zuerst in den äussersten und vom Mittelsitze des Lebens entferntesten Gliedmaassen beginnt, und von ihnen sich weiter nach dem Mittelpuncte verbreitet, bis er endlich das Herz trifft; ebenso beginnt das geistige, seiner sich bewusste, sich liebende und sich geniessende Leben zuerst in den Extremitäten und entferntesten Aussenwerken des Lebens, bis es, so Gott will, auch aufgeht in dem wahren Grundpuncte und Mittelsitze desselben. – Ein alter Philosoph behauptete, dass die Thiere aus der Erde gewachsen seyen: so wie es im kleinen, setzte er hinzu, noch bis diesen Tag geschehe, indem man in jedem Frühlinge, besonders nach einem warmen Regen – z.B. Frösche beobachten könne, an denen einige Theile, etwa die Vorderfüsse, schon recht gut sich entwickelt hätten, indess die übrigen Gliedmaassen noch ein roher und unentwickelter Erdklumpen seyen. Die Halbthiere dieses Philosophen, ohnerachtet sie übrigens kaum beweisen dürften, was sie beweisen sollen, liefern denn doch ein sehr treffendes Bild des geistigen Lebens der gewöhnlichen Menschen. Die äusseren Gliedmaassen dieses Lebens sind an ihnen schon vollkommen ausgebildet, und es fliesset schon warmes Blut in den Extremitäten; an der Stelle des Herzens aber und der übrigen edlen Lebenstheile, – welche Stellen an sich, und zufolge des Gesetzes, freilich da sind, und nothwendig da seyn müssen, indem ausserdem auch die äusseren Gliedmaassen nicht da seyn könnten, – an diesen Stellen, sage ich, sind sie noch ein gefühlloser Erdklumpen, und ein eisiger Fels.

Zuvörderst will ich Sie dessen an einem schlagenden Beispiele überführen; worüber ich mich zwar mit der höchsten Klarheit aussprechen werde, jedoch, um der Neuheit der Bemerkung willen, Ihre Aufmerksamkeit ganz besonders auffordere. – Wir sehen, hören, fühlen – äussere Gegenstände; zugleich mit diesem Sehen u. s. w. denken wir auch diese Gegenstände, und sind uns ihrer durch den innern Sinn bewusst, so wie wir, durch denselben innern Sinn, uns auch unseres Sehens, Hörens und Fühlens derselben bewusst werden. Hoffentlich wird auch keiner, der nur der allergewöhnlichsten Besinnung mächtig ist, behaupten wollen: er könne einen Gegenstand sehen, hören, fühlen, ohne zugleich auch desselben Gegenstandes und seines Sehens, Hörens, oder Fühlens desselben Gegenstandes, innerlich sich bewusst zu werden; er könne bewusstlos etwas bestimmtes sehen, u. s. f. Dieses Zugleichseyn, – Zugleichseyn sage ich, und diese Unabtrennlichkeit der äusseren Sinneswahrnehmung und des inneren Denkens von einander, – dieses, und nicht mehr, liegt in der factischen Selbstbeobachtung, der Thatsache des Bewusstseyns; keinesweges aber, ich bitte dies wohl zu fassen, – keinesweges liegt in dieser Thatsache ein Verhältniss der beiden genannten Ingredientien – des äusseren Sinnes und des inneren Denkens, – ein Verhältniss der zweie zu einander, etwa wie Ursache und Bewirktes, oder wie Wesentliches und Zufälliges. Würde nun etwa doch ein solches Verhältniss der zweie angenommen, so geschähe dieses nicht zufolge der factischen Selbstbeobachtung, und es läge nicht in der Thatsache; welches das erste ist, das ich Sie zu begreifen und zu behalten bitte.

Sollte nun zweitens, aus irgend einem anderen Grunde, als dem der factischen Selbstbeobachtung, welchen möglichen Grund wir an seinen Ort gestellt seyn lassen – sollte, sage ich, aus einem solchen Grunde denn doch ein solches Verhältniss zwischen den beiden Ingredientien gesetzt und angenommen werden; so scheint es auf den ersten Anblick, dass beide, als immer zugleich und unabtrennlich von einander vorhanden, in den gleichen Rang gestellt werden müssten; und so das innere Denken ebensowohl der Grund und das Wesentliche zu der äussern Sinneswahrnehmung, als dem Begründeten und Zufälligen, seyn könnte, als umgekehrt; auf welche Weise ein unauflöslicher Zweifel zwischen den beiden Annahmen entstehen müsste, der es nie zu einem Endurtheile über jenes Verhältniss kommen liesse. So, sage ich, auf den ersten Anblick: falls aber etwa jemand tiefer blickte, so würde dieser, – da ja das innere Bewusstseyn den äusseren Sinn zugleich mit umfasst; indem wir ja auch des Sehens, Hörens, Fühlens selber uns bewusst werden, wir aber keinesweges auch umgekehrt das Bewusstseyn sehen, hören oder fühlen, und so schon in der unmittelbaren Thatsache das Bewusstseyn einen höheren Platz einnimmt: es würde dieser, sage ich, weit natürlicher finden, das innere Bewusstseyn zur Hauptsache, den äusseren Sinn zur Nebensache zu machen, und den letzteren aus dem ersteren zu erklären, durch das erstere zu controliren und zu bewähren, – nicht aber umgekehrt. –

Wie nun verfährt hierbei die gemeine Denkart? Ihr ist, ohne weiteres, der äussere Sinn überall das erste und der unmittelbare Probirstein der Wahrheit; was gesehen, gehört, gefühlt wird, das – ist, darum, weil es gesehen, gehört, gefühlt wird u. s. w. Das Denken und das innere Bewusstseyn der Gegenstände kommt hinten nach, als eine leere Zugabe, die man kaum bemerkt, und die man ebenso gern entbehrte, wenn sie sich nicht aufdränge; und überall wird nicht – gesehen oder gehört, weil gedacht wird, sondern – es wird gedacht, weil gesehen oder gehört wird, und unter der Regentschaft dieses Sehens und dieses Hörens. Die letzthin erwähnte, verkehrte und abgeschmackte moderne Philosophie, als der eigentliche Mund und die Stimme der Gemeinheit, tritt hinzu; öffnet ihren Mund und spricht, ohne zu erröthen: der äussere Sinn allein ist die Quelle der Realität, und alle unsere Erkenntniss gründet sich allein auf die Erfahrung: – als ob dies ein Axiom wäre, gegen welches etwas vorzubringen wohl keiner sich unterstehen werde. Wie ist es denn nun dieser gemeinen Denkart und ihrem Vormunde so leicht geworden, über die oben erwähnten Zweifelsgründe und positiven Anleitungen zur Annahme des entgegengesetzten Verhältnisses sich hinwegzusetzen, als ob sie gar nicht vorhanden wären? Warum blieb ihr denn die, schon auf den ersten Anblick und noch ohne alle tiefere Forschung, als weit natürlicher und wahrscheinlicher sich empfehlende, entgegengesetzte Ansicht, dass die gesammten äusseren Sinne mit allen ihren Objecten, nur – im allgemeinen Denken begründet seyen; und dass eine sinnliche Wahrnehmung überhaupt nur im Denken und als ein Gedachtes, als eine Bestimmung des allgemeinen Bewusstseyns, keinesweges aber von dem Bewusstseyn getrennt, und an sich, möglich sey: – ich meine, die Ansicht, dass es überhaupt nicht wahr sey, dass wir sehen, hören, fühlen, schlechtweg; sondern, dass wir uns nur bewusst sind unseres Sehens, Hörens, Fühlens, – warum blieb diese Ansicht, welcher z. B. wir zugethan sind, und sie als die einzig richtige mit absoluter Evidenz begreifen, und das Gegentheil als eine offenbare Ungereimtheit einsehen; warum blieb diese der gemeinen Denkart, sogar ihrer Möglichkeit nach, verborgen? Es lässt sich leicht erklären: Das Urtheil dieser Denkart ist der nothwendige Ausdruck ihres wirklichen Lebensgrades. Im äusseren Sinne, als der letzten Extremität des beginnenden geistigen Lebens, sitzt ihnen vor der Hand noch das Leben; im äusseren Sinne sind sie mit ihrer lebendigsten Existenz zugegen, fühlen sich in ihm, lieben und geniessen sich in ihm; und so fällt denn nothwendig auch ihr Glaube dahin, wo ihr Herz ist; im Denken dagegen schiesset bei ihnen das Leben erst an, nicht als lebendiges Fleisch und Blut, sondern als eine breiartige Masse; und darum erscheint ihnen das Denken als ein fremdartiger, weder zu ihnen, noch zur Sache gehöriger Dunst. Wird es einmal mit ihnen dahin kommen, dass sie im Denken bei weitem kräftiger zugegen seyn, und weit lebendiger sich fühlen und geniessen werden, als im Sehen und Hören, so wird auch ihr Urtheil anders ausfallen.

So herabgewürdigt und unwerth ist der gemeinen Ansicht das Denken – sogar in seiner niedrigsten Aeusserung; weil diese gemeine Ansicht in das Denken noch nicht den Sitz seines Lebens verlegt, noch seine geistigen Fühlhörner bis dahin ausgestreckt hat. Das Denken in seiner niedrigsten Aeusserung, sagte ich; denn das, und nichts weiter, ist dieses Denken der äusseren Gegenstände, welches ein – Gegenbild, und einen Mitbewerber um Wahrheit, an einer äusseren Sinneswahrnehmung hat. Das eigentliche, höhere Denken ist dasjenige, welches ohne alle Beihülfe des äusseren Sinnes, und ohne alle Beziehung auf diesen Sinn, sein – rein geistiges Object schlechthin aus sich selber sich erschafft. Im gewöhnlichen Leben kommt diese Art des Denkens vor, wenn z.B. gefragt wird nach der Weise der Entstehung der Welt oder des Menschengeschlechtes, oder nach den inneren Gesetzen der Natur; wo im ersten Falle klar ist, dass bei Schöpfung der Welt und vor dem Beginnen des Menschengeschlechtes kein Beobachter zugegen gewesen, dessen Erfahrung ausgesprochen werden solle, im zweiten Falle durchaus nach keiner Erscheinung, sondern nach demjenigen, worin alle einzelne Erscheinungen übereinkommen, gefragt wird: und keine in die Augen gefallene Begebenheit, sondern eine Denknothwendigkeit herbeigeliefert werden soll, welche denn doch sey, und also sey, und nicht anders seyn könne; was ein lediglich aus dem Denken selber hervorgehendes Object giebt, welchen ersten Punct ich wohl zu fassen und einzusehen bitte.

In Sachen dieses höheren Denkens verfährt nun die gemeine Denkart also: Sie lässt sich aussinnen durch andere, oder sinnet auch wohl, wo sie mehr Kraft hat, sich selber aus, durch das freie und gesetzlose Denken, welches man Phantasie nennt, Eine von mehreren Möglichkeiten, wie es zu dem in Frage gestellten Wirklichen gekommen seyn könne (eine Hypothese machen, nennt es die Schule): fragt darauf an bei ihrer Neigung, Furcht, Hoffnung, oder von welcher Leidenschaft sie eben regiert wird, und falls diese zustimmt, wird jene Erdichtung festgesetzt als bleibende und unveränderliche Wahrheit. Eine von den mehreren Möglichkeiten ersinnt sie sich, sagte ich; dies ist der Hauptcharakter des beschriebenen Verfahrens; aber dieser Ausdruck muss richtig verstanden werden. An sich nemlich ist es gar nicht wahr, dass irgend etwas auf mehrere Weisen möglich sey, sondern alles, was da ist, ist nur auf eine einzige, in sich selbst vollkommen bestimmte Weise möglich, wirklich und nothwendig zugleich; und schon darin liegt der Grundfehler dieses Verfahrens, dass es mehrere Möglichkeiten annimmt, – von denen es nun noch dazu, einseitig und parteiisch, nur Eine fasst, und diese durch nichts zu bewahrheiten vermag, als durch seine Neigung. Dieses Verfahren ist es, was wir Meinen nennen, im Gegensatze mit dem wirklichen Denken. Dies eigentliche und von uns also genannte Meinen hat, ebenso wie das Denken, die Region jenseits aller sinnlichen Erfahrung zum Gebiete; diese Region besetzt es nun mit den Ausgeburten fremder oder auch der eigenen Phantasie, denen allein die Neigung Dauer und Selbstständigkeit giebt: und dieses alles begegnet ihm also, bloss und lediglich deswegen, weil der Sitz seines geistigen Lebens noch nicht höher, als in die Extremität der blinden Zuneigung oder Abneigung fällt.

Anders verfährt das wirkliche Denken in der Ausfüllung jener übersinnlichen Region. Dieses – sinnt sich nicht aus, sondern ihm kommt von selber, nicht das – neben und unter andern, sondern das allein Mögliche, Wirkliche und Nothwendige; und dieses bestätigt sich nicht etwa durch einen ausser ihm liegenden Beweis, sondern es führt seine Bestätigung unmittelbar in sich selber, und leuchtet, so wie es nur gedacht wird, diesem Denken selber ein, als das einzig mögliche, schlechthin und absolut wahre; mit unerschütterlicher, schlechthin alle Möglichkeit des Zweifels vernichtender Gewissheit und Evidenz die Seele ergreifend. Da, wie gesagt, diese Gewissheit den lebendigen Act des Denkens unmittelbar in seiner Lebendigkeit und auf der That ergreift, und allein an diesen sich hält; so folgt, dass jeder, der der Gewissheit theilhaftig werden wolle, eben selber und in eigener Person das Gewisse denken müsse, und keinen anderen das Geschäft für sich könne verrichten lassen.“

Johann Gottlieb Fichte: Die Anweisung zum seligen Leben, oder auch die Religionslehre. Dritte Vorlesung.

Mein Beruf ist die Aufklärung und aufklärerisch ist folglich all mein Schaffen. Was Aufklärung ist, darüber verbreite ich mich in meiner Vortragsreihe Was ist Aufklärung? Dieser Bereich meiner Website insonders aber soll dem Strebenden immer wieder kleine Möglichkeiten zur Aufklärung bieten. In verschiedenen Rubriken werde ich hier den Horizont des unbedarften Lesers zu erweitern, andere Male die Unaufgeklärtheit in ihren Taktiken, Irrtümern und Lügen zu entlarven suchen. Man bedenke aber wohl, dass ein Jeder sich nur selbst aufklären, dass man schlechterdings niemanden dazu leiten kann, ohne fremde Leitung zu sein: Zu Jedem, der zu geben hat, gehört Einer, der zu nehmen vermag, und so biete ich hier Hilfen zur Aufklärung dar, die Jedermann annehmen oder verwerfen kann.

Aufgeklärtes

Licht scheint überall auf der Welt und überall gibt es Menschen, die ihre und Anderer Augen dafür öffnen. Von ihnen und ihrem Schaffen will ich hier berichten.

Vorurteile

Aufklärung ist Befreiung von den Vorurteilen, daher sollen solche hier besprochen und ausgeräumt werden.

Ins Licht

Zum Wahn

Lügen

Die Unaufgeklärtheit ist immer falsch, im Lichte der Aufklärung kann nur die Wahrheit bestehen. Hier sollen verbreitete Lügen als das beleuchtet werden, was sie sind.

Tagebuch der Unaufgeklärtheit

Unaufgeklärtheit begegnet man unter Menschen ständig und überall. Hier halte ich einige dieser Begegnungen fest und zeige, wie verbreitet sie ist und wie sie noch in den harmlosesten Situationen wirkt.

Zu den Verlogenheiten

In die Finsternis

Vermischte Gedanken

Hier finden sich kurze Proben aus meinem Denktagebuch; Aphorismen, Sentenzen, Reflexionen und andere vermischte Gedanken mehr.

Zitate

Analekten unserer großen Geister, aufgelesen während meiner geistigen und seelischen Zwiegespräche mit ihnen, teile ich hier.

Zu meinen Gedanken

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