Aufgeklärtes

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„Und nicht zerstörten Wir eine Stadt, ohne dass sie Warner gehabt zur Ermahnung.“

Koran 26:208 f.

„An welchen Folgen erkennt man die Wahrheit der Aufklärung?

Antwort: wenn es im Ganzen heller wird; wenn die Anzahl der denkenden, forschenden, lichtbegierigen Leute überhaupt und besonders in der Classe von Menschen, die bei der Nichtaufklärung am meisten zu gewinnen hat, immer größer, die Masse der Vorurtheile und Wahnbegriffe zusehends immer kleiner wird; wenn die Schaam vor Unwissenheit und Unvernunft, die Begierde nach nützlichen und edeln Kenntnissen, und besonders wenn der Respect vor der menschlichen Natur und ihren Rechten unter allen Ständen unvermerkt zunimmt; und (was ganz gewiß eines der unzweydeutigsten Kennzeichen ist) wenn alle Messen einige Frachtwagen voll Broschüren gegen die Aufklärung in Leipzig ein und ausgeführt werden. Denn die figürlichen Nachtvögel sind, in diesem Puncte, gerade das Widerspiel der eigentlichen: diese werden erst bey Nacht laut; jene hingegen schreyen am grellsten wenn ihnen die Sonne in die Augen sticht.“

Timalethes (Christoph Martin Wieland: Ein paar Goldkörner aus – Maculatur oder Sechs Antworten auf sechs Fragen.)

Mitunter meint man, Aufklärung wäre ein genuin europäisches oder westliches Phänomen und fehlte anderen Nationen bis heute. Gleichsam hält man Aufklärung für an einen gewissen Stand von Unterrichtetheit geknüpft. Aber Aufklärung ist keine Angelegenheit des 18. Jahrhunderts, der Europäer oder gar nur der Philosophen, sie ist Menschheitsaufgabe und so alt und verbreitet als das Menschengeschlecht selbst.

Wahr ist, dass die Formulierung besagter Aufgabe in dieser Form auf den – nicht einmal europäischen, sondern bloß deutschen Geist des 18. Jahrhunderts zurückgeht (die britischen und französischen Denker brachten es zur Ausklärung, nicht aber zur Aufklärung, was sich schon äußerlich daran festmachen lässt, dass sie im 18. Jahrhundert keinen eigenen Begriff für diese Idee entwickelten, also wohl die Idee selbst nicht schauten; ein Umstand, den im Falle seiner eigenen, der französischen Nation Foucault hervorhob, welcher seines Zeichens der letzte philosophische Aufklärer war, der mir vorausging). Diesem deutschen Geiste des 18. Jahrhunderts kommt also das Verdienst zu, die Aufklärung philosophisch erfasst zu haben, welches Unterfangen ich heute fortführen und vertiefen möchte. Aber zugleich bleibt doch Aufklärung eine Haltung, die ein jeder Mensch einnehmen und weitergeben kann und zu jeder Zeit konnte, auch dann, wenn er keinen Namen für sie hat oder sie sich als Haltung nicht bewusst macht. Und dies zu betonen, ist mir wichtig: Mir ist wichtig, dass man unter Aufklärung kein elitäres und intellektuelles Projekt verstehe, mir ist wichtig, dass man auch nicht meine, ich sei der einzige auf Erden, der aufgeklärt ist oder wenigstens der andere aufklärt; bestenfalls kann gesagt werden, dass ich mit mehr Bewusstsein aufkläre, dass ich also mehr als andere über die Aufklärung selbst aufgeklärt bin und eben diese Aufklärung über die Aufklärung nun verbreiten möchte.

Wir wollen es doch den Phantasten überlassen, eine dogmatische Transzendentphilosophie zu treiben, die wahrhaft neue Entdeckungen machen und erweitern will, was es bedeutet, Mensch zu sein, und deren hochfliegende Hirngespinste dem niederen und gemeinen Volk unzugänglich sein müssen. Echte Philosophie schafft nicht Neues, ihre Aufgabe ist vielmehr, Bewusstsein und Klarheit zu bringen. So wie Recht, Sittlichkeit oder Religion bestanden, wo immer es Menschen gab, und auch sehr wohl dort bestanden, wo diese Menschen keine Worte für sie hatten und nie genau darüber nachdachten, was Recht, Sittlichkeit oder Religion denn seien, ganz so verhält es sich auch mit der Aufklärung. Die Philosophie ist dahingehend immer missverstanden worden und wird es noch, zumal von ihren Totengräbern, den Philosophologen: Ich will als Beispiel nur nennen, wie man Kant dafür kritisiert hat, sein Moralprinzip lasse sich im unmittelbaren Lebensvollzug nicht anwenden, es tauge in anderen Worten nicht als Gebrauchsanweisung, wie man denn in diesem oder jenem Falle zu verfahren habe. O ihr Unseligen! Wie ihr zu verfahren habt, das sagt euch doch hoffentlich euer Gewissen, und schlimm, wenn es das nicht täte! Kant wollte euch nie eine Anweisung geben, er wollte keine Moral schaffen und etwa behaupten, Menschen wären nie moralisch gewesen, ehe er in seiner großen Weisheit daherkam, um ihnen die Moral zu bringen; er wollte die Moralität, die schon immer da war, beschreiben und begreifen. „Das Streben der Philosophen geht dahin, zu verstehen, was seine Mitmenschen nur leben.“ (Nachgelassene Fragmente. 1875 6[37]) Eure Kritik ist so unsinnig, als wolltet ihr einem Biologen, der das Atemsystem beschreibt, vorhalten, nach seinen Anweisungen lasse sich im Leben nicht atmen, man stürbe, wenn man sie erst verstehen und befolgen müsste, bevor man losatmete – wohl wahr, aber euch atmen zu lehren, ist auch nicht die Aufgabe der Wissenschaft, geatmet haben die Menschen auch schon ohne diese und werden es wohl noch bis zum letzten Tage tun, nur diesen Vorgang durchdringen und verständlich machen, das will die Wissenschaft: welches durch sie geschaffene Verständnis denn freilich durchaus künftig beim Atmen helfen mag, etwa dabei, gewissen Beschwerden bei diesem Vorgange zu begegnen.

Aber wieder von der Aufklärung gesprochen: Aufklärung bewusst als etwas erkannt und beschrieben, das ist, hat vor allem die Philosophie in Deutschland im 18. Jahrhundert. Und ich als philosophischer Aufklärer will weiter zum Verständnis der Aufklärung beitragen. Aber zugleich ist Aufklärung überall um uns her und viele Menschen verhalten sich aufgeklärt und sind Apostel der Aufklärung, ohne es zu wissen oder wenigstens ohne es gerade mit diesem Worte zu bezeichnen. Von ihnen soll dieser Bereich meiner Website handeln: Immer mal wieder, wie es mir eben unterkommt, möchte ich hier Aufgeklärtheiten aus aller Welt vorstellen und auch das Tun anderer Aufklärer einmal ins Rampenlicht rücken. Hierdurch soll der Begriff der Aufklärung erweitert und vertieft werden, man soll sehen, dass man aufgeklärt auf vielerlei Weise sein und dabei seine Individualität nicht nur bewahren, sondern vertiefen kann, und dass Aufklärung nicht bedeuten muss, gerade so wie ich zu werden. Es soll zugleich Mut gemacht und Zutrauen in sich selbst geschaffen werden: Ein jeder soll sehen, dass man als Aufklärer nicht etwa auf verlorenem Posten kämpft, noch dass man irgendwelche schlauen Bücher gelesen haben muss, um Aufklärung selber leben oder gar verbreiten zu können.

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